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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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jederzeit bereit haben, um aufzuspringen und wegzureiten, wenn das nötig wurde.
    Während Stark wie ein Hirsch mit großer Vorsicht bergan schlich, blieb Harka allein. Er betrachtete sich seine Waffen, die ihm geblieben waren, den Dolch, die elastische Keule, das Lasso. Seinen Revolver hatte er im Zelt gelassen. Es war in den Prärien sehr schwer, Munition zu beschaffen. Er hatte nicht vergeuden wollen, was er besaß, aber jetzt wünschte er sich die Feuerwaffe doch zur Hand. Allerdings dachte er nicht lange darüber nach, daß er den Revolver nicht bei sich hatte, weil solches Denken unnütz war und zu nichts führte. Er konzentrierte sich darauf zu lauschen und zu überlegen, was den Elch in Schreck und Wut versetzt haben könnte. Ein Jäger würde dem Tier, sobald es floh, doch wohl gefolgt sein.
    Von Harkas Gefährten war nichts zu hören; er schlich lautlos. Die Pferde blieben nach wie vor ruhig.
    Harka wartete eine Stunde um die andere. Als Sohn eines Jägervolkes hatte er das Warten von früh auf gelernt; er war nicht so ungeduldig wie weiße Jungen. Als drei Stunden vergangen waren, Stark wie ein Hirsch aber noch nicht zurückkam, hängte Harka die Pferde an und schlich sich vorsichtig zurück zum Waldrand. Er betrachtete den ehemaligen Lagerplatz, an dem ihm die Forelle so gut geschmeckt hatte. Die beiden büffelledernen Decken lagen noch da, wenn auch übel zugerichtet. Aber ganz hatte sie selbst ein Elch nicht zuschanden machen können. Harka zog sie zu sich ins Gesträuch herein. Auf dem Zweig einer starken Tanne lag ein Bein einer Gamaschenhose, im Gras ein zweites; das eine gehörte Harka, das andere seinem Gefährten. Gürtel und die Gürteltücher, die vorn und hinten durchgeschlungen wurden, waren vorhanden; außerdem drei Mokassins. Im Bach, eine Terrasse weiter unten, tanzte ein Hosenbein unter dem kleinen Wasserfall, der es immer wieder kreiselte und hinuntertunkte. Den vierten Mokassin entdeckte Harka am anderen Ufer auf der Spitze eines jungen Tannenbaumes. Die Pfeile waren am Ufer zerstreut, einer wippte an einem Stein im Wasser hin und her.
    Sobald es dunkel wurde, wollte Harka alles zusammensuchen, was noch da war. Vorläufig ging er mit den Decken zurück in den Wald und ließ sich wieder an seinem Platz bei den Pferden nieder. Als es schon dämmrig wurde, kam Stark wie ein Hirsch. Er schien sehr müde zu sein und warf sich neben Harka auf den Boden. Aber dann sprang er gleich wieder auf, um mimisch darzustellen, was er getan und was er herausgefunden hatte. Er war der Elchspur weit bergauf gefolgt und hatte die Stelle gefunden, wo der Elch, der ursprünglich bergan unterwegs gewesen war, kehrtgemacht hatte, um abwärts zu fliehen. Stark wie ein Hirsch hatte festgestellt, daß der Elch auf ein Luchspaar gestoßen war, das Junge hatte und darum auch bei Tage angriff, wenn es sich bedroht fühlte. Die wütenden Luchse mußten den Elch verscheucht haben. Wo sie jetzt ihre Jungen hingeschleppt hatten, hatte der Schwarzfuß noch nicht herausfinden können. Offensichtlich waren sie damit weggelaufen. Stark wie ein Hirsch war noch kreuz und quer durch den Wald gestreift, hatte auch eine Bärenspur und mehrere Wolfsspuren entdeckt, doch zu seinem Bedauern keinerlei neue Fährten von Antilopen. Aber auf die Überreste eines zerfleischten Rehs war er gestoßen und auf den Kadaver eines Büffels, eines Einzelgängers, wie es sie zuweilen gab, besonders unter alten Tieren, die in der Herde nicht mehr mitkamen. Den Rest dieses Büffelkadavers hatte Stark wie ein Hirsch bei dem Winterlagerplatz seiner Stammesgruppe gefunden. Der Kadaver war von Raubtieren völlig zerrissen und zerfleischt. Wolfsspuren und Luchsspuren, Bärenspuren hatten darauf hingewiesen, wer sich hier satt gefressen hatte. Durch diese ausgiebige und leicht zu überwältigende Beute schien die Gegend ein rechtes Raubtierrevier geworden zu sein.
    Das alles waren keine sehr beruhigenden Nachrichten in dem Augenblick, in dem die Nacht hereinbrach.
    Harka winkte seinem Gefährten mitzukommen und führte ihn an den Bach. Der erste Stern leuchtete schon, und die Mondsichel wurde golden. Als die beiden Jungen das elenlederne Hosenbein unter dem Wasserfall tanzen sahen, mußten sie zum erstenmal über ihr Mißgeschick lachen, wenn das auch vorsichtshalber lautlos geschah. Sie holten sich zusammen, was noch zu erreichen war, und überlegten, welches der beste Platz für die Nacht sein würde. Menschen schien es ringsum nicht zu geben. Raubtiere

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