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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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betäubt ins seichte Wasser abglitt. Das befreite Pferd schlug sofort mit den Hufen auf den gestürzten Angreifer ein, so daß Harka Mühe hatte, heranzukommen. Er mußte den Mustang, der ganz außer sich war, erst am Zügel wegreißen. Dann konnte er zu dem Luchs gelangen, der zähe genug war, um sich nach der ersten Betäubung durch den Keulenschlag und trotz der erlittenen Hufschläge schon wieder zu rühren. Harka stach ihm den Dolch in die Gurgel und ließ einen lauten Siegesruf hören. Aber er hatte keine Zeit, sich seines Sieges zu freuen, denn hinter seinem Rücken war noch mehr im Gange. Von dem Ufer her, an dem sich das kleine Lagerfeuer befand, hatte ein zweiter Luchs angegriffen, und nicht weit vom Ufer entfernt erklang im finsteren Wald das heisere Gebrumm eines Bären. Nur sehr selten kamen so viele Raubtiere auf einmal zusammen. Aber es war Frühling, die Tiere waren vom Winter her ausgehungert, sie hatten Junge, und zwei Mustangs und zwei Knaben als Beute mußten ihnen sehr verlockend erscheinen. Stark wie ein Hirsch verteidigte sich und sein Pferd gegen den zweiten Luchs, mit gleichem Angriffsmut wie Harka und ohne sich selbst zu schonen. Dieser Luchs war nicht vom Baum heruntergesprungen, sondern hatte sich im Gesträuch angeschlichen und war plötzlich hervorgebrochen, um den Schwarzfußjungen direkt anzugreifen. Stark wie ein Hirsch hatte die große Raubkatze überlistet. Er hatte sich noch rechtzeitig weggeschnellt, ehe sie ihn gepackt hatte, und war an der tief ausgewaschenen Stelle der Terrasse unter den Wasserfall getaucht. Aber nur für einen Augenblick. Als das Raubtier sich zweifelnd umblickte, wo seine Beute geblieben sei, und der Scheckenmustang ausbrach, war Stark wie ein Hirsch schon wieder zur Stelle. Er hatte seine Axt in der Hand, als er auftauchte. Während die Raubkatze herumfuhr, um ihn wieder anzunehmen, schlug er die Axt von der Seite in ihren Nacken. Der Hieb saß schlecht, wirkte aber doch. Das Tier ging zu Boden. Stark wie ein Hirsch griff nach der Steinkeule, die Harka ihm reichte, und schlug zu. Der Kopf des Luchses sank zur Seite. Jetzt jauchzte auch der Schwarzfußjunge laut und noch heiser vor Erregung. Die Pulse der Jungen flogen, und der Mund stand ihnen offen, und sie nahmen tief Luft. Weniger die Anstrengung als die Aufregung des gefahrvollen Kampfes ließ ihr Herz noch nachträglich heftig schlagen.
    Sie hatten aber keine Zeit, sich auszuruhen, denn der Schecke war in den nächtlichen Wald entlaufen, und der Grauschimmel schickte sich an, ihm zu folgen. Harka war mit drei großen Sprüngen bei seinem Pferd und saß auf. Der Fluchtweg des Schecken ließ sich an den Geräuschen erkennen.
    »Laß ­ ich hole ihn allein!« rief Stark wie ein Hirsch seinem Gefährten zu, und schon war er im Wald verschwunden. Im Wald einen Mustang wieder einzufangen war viel leichter als auf der freien Prärie, da der Mustang zwischen den Bäumen nicht seine volle Geschwindigkeit entwickeln konnte und es auch leichter war, ihn zu beschleichen. Harka hatte daher keine Sorge darum, daß Stark wie ein Hirsch seinen Schecken wiederbekommen würde. Er selbst blieb beim Bach, hielt im seichten Wasser auf der Terrasse und lauschte, ob der Bär sich noch rührte. Ein Bär war viel tolpatschiger als eine Raubkatze. Harka glaubte nicht, daß es sich bei dem Tier, das sich hier herumtrieb, um den gefährlichen Grizzly handelte. Er nahm an, daß es ein Braunbär sei. Das Brummen und Fauchen eines Grizzlys kannte er zu genau, um sich darüber zu täuschen. Er dachte an den Tag zurück, an dem er von dem Zeltlager am Pferdebach aus mit dem Vater zum Bärenbach geritten war und an einer Grizzlyjagd teilgenommen hatte. Das war im vergangenen Sommer gewesen, kurz ehe der Vater verbannt wurde.
    Von dem Bären ließ sich vorläufig nichts mehr hören. Entweder lauerte er noch irgendwo im Wald, oder er hatte schon das Weite gesucht, als er den Mißerfolg der Luchse erkannte. Stark wie ein Hirsch hatte sich seinen Schecken wieder gegriffen und kam damit zurück.
    Keiner der beiden Jungen dachte mehr an Schlafen in dieser Nacht. Sie führten ihre Tiere wieder ans Ufer und blieben bei den Mustangs stehen. Der Blutgeruch, der von den toten Luchsen ausging, schreckte die Pferde noch. Er konnte auch weiteres Raubzeug herbeiziehen, vor allem Wölfe. Die Jungen mußten daher sehr auf der Hut sein. Ihre Aufmerksamkeit war so angespannt, daß sie ihre wachsende Müdigkeit und die Nässe gar nicht bemerkten.
    Das

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