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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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aushändigte, und fühlte sich in dieser Kleidung äußerst wohl; sie war nicht nur zweckdienlich, sondern schmeichelte mit Fransen und Farben auch der Eitelkeit. An der Büchse hatte Charlemagne vieles auszusetzen, doch in diesem Punkte blieb Ben hart; nur etwas mehr Munition, als von Ben vorgesehen war, schlug Charlemagne heraus. Der Revolver war brauchbar.
    Als Charlemagne ausgestattet war, machte er sich sogleich auf den Weg. Er hatte bemerkt, daß Hahnenkampfbill aus seinem Rausch zu erwachen begann, wollte aber gerade diesem keinerlei Auskunft über das geben, was er selbst vorhatte. Mit Ben, dem Wirt der am weitesten vorgeschobenen Handelsstation dieser Gegenden, mußte Charlemagne gutstehen. Sonst aber wünschte er keine Mitwisser zu haben, am allerwenigsten den brutalen Bill.
    Es war ein angenehmer warmer Sommermorgen, als Charlemagne noch einmal seinen Knebelbart zwirbelte, sich dann aufs Pferd schwang und den Ritt nach Norden begann.
    Die Entfernung vom Niobrara bis in die Prärien nördlich des oberen Missouri, die Charlemagne zunächst aufsuchen wollte, betrug in der Luftlinie etwa achthundert Kilometer. Charlemagne aber war kein Vogel. Er reiste zu Pferd, verdiente sich unterwegs seinen Lebensunterhalt durch Jagd, kleine Pfadfinder- oder Cowboydienste, zog dabei je nach Bedarf kreuz und quer, und so brauchte er Wochen, um sein Ziel zu erreichen.
    Der Hochsommer ging in dieser Zeitspanne vorüber. Die Wärme wurde mild, die Strahlen der Sonne verloren das Herrische und Blendende; sie beleuchteten die Wiesen, Wälder und Flüsse, die Menschen und die Tiere in gleichsam bescheidener Weise, so daß die Konturen und Farben deutlicher hervortreten konnten. Die Nächte dehnten sich wieder aus, und auch am Tage fielen die Schatten schon länger. Die Herden der Büffel und Mustangs tummelten sich noch im Norden, aber der Instinkt, wieder südwärts zu ziehen, rührte sich schon in ihnen. Die Indianer bereiteten die großen Herbstjagden vor, die den Vorrat für den Winter bringen mußten, damit bei Schnee und Eis kein Hunger in die Zelte einzog. Das Zeltlager der Siksikaugruppe, der Brennendes Wasser als Häuptling vorstand, befand sich noch auf den ungeschützten Steppen. Erst nach den Büffeljagden wollte man sich in die Wälder der Vorberge zurückziehen.
    Es war Nacht. Über die Prärie, über dem Bach, über den Zelten wölbte sich der dunkle Himmel. Die Sterne schimmerten, der Wind wehte kühl. Die Mustangs standen beieinander, die Hunde schliefen dicht aneinander- gedrängt. In den Zelten ruhten die Menschen. Harka wohnte bei seinem Freunde Stark wie ein Hirsch im Häuptlingszelt. Das Zelt, das ihm und Mattotaupa zur Verfügung gestanden hatte, war nicht aufgeschlagen, da es unnötige Arbeit verursacht hätte, es nur des Jungen wegen zu führen. Die Schwarzfußfrau war für die Zeit von Mattotaupas Abwesenheit zu ihren Eltern gezogen, um dort zu helfen.
    Harka fühlte sich im Häuptlingszelt wohl. Stark wie ein Hirsch und er wurden mehr und mehr zu Brüdern. Besonders in den ersten Wochen nach Mattotaupas Auszug war Harka voller Zuversicht auf das Gelingen des Unternehmens, das der Vater sich vorgesetzt hatte, und der Knabe spielte und übte, jagte, ruhte und plauderte mit seinem neuen Freund zusammen von morgens bis abends in froher Laune. Die ganze Knabenschar empfand Harka schon als einen der Ihren und als einen ihrer Besten.
    Als die Jahreszeit vorangeschritten war, als die Sonne sengte und das Gras dürr wurde, waren Harkas Gedanken zuweilen schon in den Herbst vorausgeeilt, und er stellte sich vor, wie der Vater zurückkehren und Harkas Büchse mitbringen würde. Erst waren es nur flüchtige Augenblicke, in denen die Phantasie des Knaben zu diesem Bilde eilte, aber als der Hochsommer schied und die Tage milder wurden, erwachte Harka schon fast täglich mit der Frage, ob der Vater heute vielleicht heimkommen würde.
    Abends schlief er in dem Gedanken ein, daß das, was heute nicht gewesen war, doch morgen sein könne. Allmählich wurde die Erwartung brennend, und es kostete Harka Selbstbeherrschung, nicht davon zu sprechen. Sicher dachte auch Stark wie ein Hirsch daran, daß Mattotaupa nun bald zurückkehren müsse. Aber so offen die beiden Knaben in vielem anderen miteinander waren, in diesem Punkte, der mit Harkas Herkunft aus dem Stamme der Dakota, mit der Verbannung seines Vaters und mit der Rache an Tashunka-witko zusammenhing, schwiegen beide scheu. Zuweilen saßen sie stundenlang beisammen,

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