Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)
Mom.«
»Was denn?«
»Du weißt, dass du genau die gleichen Dinge getan hast, als du in meinem Alter warst.«
So etwas habe ich nie getan, aber ich weiß, dass du, wenn ich das jetzt zugäbe, jeglichen Respekt vor mir verlieren würdest. »Dir ist klar, dass du unter keinen Umständen Auto fahren darfst, wenn du ...«
»Himmel, natürlich ist mir das klar. Glaubst du denn, dass ich eine Idiotin bin?«
»Nein, natürlich nicht.«
Was ich denken werde, ist, dass du ganz offensichtlich nicht ich bist, was mich in den Wahnsinn treibt. Das wird mich, wieder einmal, daran erinnern, dass du kein Klon von mir bist. Du kannst wundervoll sein, jeden Tag aufs Neue ein Grund zur Freude, aber du wirst niemals jemand sein, den ich alleine hätte hervorbringen können.
Das Militär hatte in der Nähe des Spiegelzeltes einen Wohnwagen aufgestellt, in dem sich unsere Büros befanden. Ich sah, wie Gary zu dem Wohnwagen hinüberging, und lief ihm rasch nach. »Es ist ein semasiografisches Schriftsystem«, sagte ich, als ich ihn eingeholt hatte.
»Wie bitte?«, sagte Gary.
»Hier, ich zeige es dir.« Inzwischen waren wir dazu übergegangen, uns zu duzen. Ich führte Gary in mein Arbeitszimmer. Dort ging ich zu einer Tafel und zeichnete einen Kreis, der von einer diagonalen Linie geteilt wurde. »Was bedeutet dieses Zeichen?«
»›Nicht gestattet‹?«
»Richtig.« Ich schrieb die Worte NICHT GESTATTET auf die Tafel. »Genauso wie das hier. Aber nur eines von beiden ist auch eine Abbildung von Sprache.«
Gary nickte. »Okay.«
»Linguisten bezeichnen eine Schrift wie diese hier« – ich zeigte auf die geschriebenen Wörter – »als ›Glottografie‹, denn sie repräsentiert Sprache. Alle geschriebenen menschlichen Sprachen gehören zu dieser Kategorie. Dieses Symbol allerdings« – und ich deutete auf den Kreis mit der Diagonalen – »ist ein ›semasiografisches‹ Zeichen, denn es vermittelt einen Inhalt, ohne sich dabei auf Sprache zu beziehen. Zwischen seinen Bestandteilen und bestimmten Lauten besteht kein Zusammenhang.«
»Und du bist der Meinung, dass die ganze Heptapodenschrift so funktioniert?«
»Nach dem, was ich bisher davon gesehen habe, ja. Sie ist weit komplizierter als eine einfache Bilderschrift. Sie verfügt über ein eigenes Regelwerk, wie man Sätze bildet – wie eine visuelle Syntax, die nichts mit der Syntax ihrer mündlichen Sprache zu tun hat.«
»Eine visuelle Syntax? Kannst du mir ein Beispiel zeigen?«
»Kommt sofort.« Ich setzte mich an den Schreibtisch und ließ auf dem Computer ein Bild der Aufnahme der gestrigen Unterhaltung mit Himbeere erscheinen. Ich drehte den Monitor so, dass Gary es sehen konnte. »In ihrer mündlichen Sprache bekommt ein Nomen eine Kasusmarkierung, die anzeigt, ob es ein Subjekt oder ein Objekt ist. In ihrer geschriebenen Sprache jedoch wird durch die Ausrichtung des Nomen-Logogramms zum Verb bestimmt, ob es ein Objekt oder ein Subjekt ist. Hier, schau.« Ich deutete auf eine der Abbildungen. »Wenn zum Beispiel ›Heptapode‹ auf diese Weise mit ›hört‹ verbunden wird, mit diesen parallelen Strichen, zeigt es an, dass der Heptapode etwas hört.« Ich zeigte Gary eine andere Abbildung. »Wenn die Zeichen aber so verbunden werden und die Striche im rechten Winkel zueinander verlaufen, bedeutet es, dass der Heptapode gehört wird. Diese Morphologie funktioniert bei etlichen Verben so. Ein weiteres Beispiel ist die Flexion, also die Beugung von Wörtern.« Ich wählte eine andere Aufnahme. »In ihrer Schriftsprache bedeutet dieses Logogramm in etwa ›klar zu hören‹ oder ›deutlich zu hören‹. Erkennst du die Elemente, die dem Logogramm für ›hören‹ gleichen? Man kann dieses Logogramm auf die gleiche Weise mit dem Zeichen für ›Heptapode‹ kombinieren, um auszudrücken, dass der Heptapode etwas klar hören kann, oder deutlich zu hören ist. Wirklich interessant ist aber, dass die Modulation von ›hören‹ zu ›deutlich hören‹ kein besonderer Fall ist; kannst du die Veränderung erkennen, die sie vorgenommen haben?«
Gary zeigte darauf und nickte. »Sieht so aus, als ob sie die Idee ›deutlich‹ ausdrücken, indem sie die Krümmung dieser Striche in der Mitte verändern.«
»Genau. Diese Anpassung lässt sich auf viele Verben anwenden. Das Logogramm für ›sehen‹ kann auf diese Weise modifiziert werden, um ›deutlich sehen‹ zu bezeichnen, und so ist es auch bei dem Logogramm für ›lesen‹ und bei vielen weiteren. Für
Weitere Kostenlose Bücher