Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)
eine Frau, die unter einer zusammengestürzten Mauer eingeklemmt worden war, hatte sich nach ihrer Rettung entschlossen, selbst Sanitäterin zu werden. Ein Ladeneigentümer gründete eine Gemeinschaft, um die drohende Zahlungsunfähigkeit dieser Frau abzuwenden, während ein anderer, dessen Laden zerstört worden war, die Erscheinung als Zeichen auffasste, dass er sein Leben ändern sollte. Alle außer Ethan hatten auf ihre Weise zu deuten verstanden, was ihnen zugestoßen war.
Er selbst war offensichtlich weder gesegnet noch bestraft worden, und er wusste nicht, was für eine Botschaft er empfangen hatte. Seine Frau Claire war der Meinung, die Erscheinung solle Ethan daran erinnern wertzuschätzen, was er besaß. Das aber stellte ihn nicht zufrieden, denn er war der Ansicht, dass jede Erscheinung – egal, wo sie geschah – diesen Zweck erfüllte, und dass seine unmittelbare Zeugenschaft eine tiefere Bedeutung haben musste. Seine Gedanken kreisten um die fixe Idee, dass er eine Gelegenheit verpasst hatte und es einen weiteren Zeugen gab, den er kennenlernen sollte, aber noch nicht getroffen hatte. Diese Erscheinung musste das Zeichen sein, auf das er gewartet hatte. Er konnte es nicht einfach missachten. Trotzdem wusste er nicht, was er tun sollte.
Ethan verfiel schließlich darauf, eine Möglichkeit nach der anderen abzuhaken. Er besorgte sich eine Liste aller Zeugen und strich alle durch, die ihre Erfahrung schlüssig zu deuten wussten. Von den verbliebenen Personen musste nach Ethans Überlegung eine irgendwie mit seinem Schicksal verstrickt sein. Von denen, die von der Erscheinung verunsichert worden oder sich über ihre Bedeutung unklar waren, musste eine die Person sein, die ihm zu treffen bestimmt war.
Als Ethan damit fertig war, die Namen auf seiner Liste durchzugehen, blieb nur noch einer übrig: JANICE REILLY.
Neil hatte sich so weit im Griff, um seine Trauer in der Öffentlichkeit hinter einer Maske zu verbergen, doch in der Abgeschiedenheit seiner Wohnung konnte er die Flut seiner Tränen nicht immer zurückhalten. Wenn ihn der Schmerz darüber überwältigte, dass Sarah nicht mehr bei ihm war, kauerte er sich auf den Boden und weinte. Er krümmte sich dann wie ein Fötus zusammen, sein Körper wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt, Tränen und Rotz rannen ihm über das Gesicht, Welle um Welle wuchs seine Seelenqual, bis er sie nicht mehr ertragen konnte, bis sie schlimmer wurde, als er sich vorzustellen vermochte. Später, nach Minuten oder Stunden, war es vorbei und er schlief erschöpft ein. Am nächsten Morgen wachte er auf und hatte einen weiteren Tag ohne Sarah durchzustehen.
Eine ältere Frau in Neils Mietshaus versuchte ihn zu trösten, indem sie ihm versicherte, dass der Schmerz mit der Zeit nachlassen und er, auch wenn er seine Frau nicht vergessen könnte, zumindest darüber hinwegkommen würde. Neil würde eine andere Frau kennenlernen und mit ihr glücklich werden, und er würde lernen, Gott zu lieben, und in den Himmel aufsteigen, wenn seine Zeit gekommen sei.
Neil war nicht in der Lage, in den Worten dieser Frau Trost zu finden, auch wenn sie in bester Absicht gesprochen waren. Sarahs Abwesenheit war wie eine offene Wunde, und dass er den Schmerz ihres Verlustes eines Tages überwinden würde, schien ihm nicht nur unwahrscheinlich, sondern geradezu körperlich unmöglich. Wenn Selbstmord ein Weg gewesen wäre, seine Pein zu beenden, hätte er sich ihm ohne zu zögern hingegeben, doch das hätte nur zur Folge gehabt, dass er auf ewig von Sarah getrennt bleiben würde.
Bei den Selbsthilfegruppen wurde immer wieder über Selbstmord gesprochen, was unweigerlich dazu führte, dass jemand Robin Pearson erwähnte, eine Frau, die einige Monate, bevor Neil zur Gruppe gestoßen war, an den Treffen teilgenommen hatte. Robins Ehemann hatte durch die Erscheinung des Engels Makatiel Magenkrebs bekommen. Tagelang war sie im Krankenhaus an seiner Seite geblieben, bis er plötzlich unerwartet verschied, als sie sich gerade zu Hause um die Wäsche kümmerte. Eine Krankenschwester hatte Robin erzählt, die Seele ihres Mannes sei in den Himmel aufgestiegen, und Robin begann, die Treffen der Selbsthilfegruppe zu besuchen.
Monate später war Robin aufgebracht vor Zorn zu einem Treffen gekommen. In der Nähe ihres Hauses hatte es eine Höllenerscheinung gegeben, und sie hatte ihren Gatten unter den verlorenen Seelen erkannt. Sie stellte die Krankenschwester zur Rede, und diese gab zu, gelogen
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