Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)
Weise ihre Zweifel ausmerzen und wieder mit ihrem geliebten Partner zusammenkommen, andere hatten ein sündhaftes Leben geführt und trachteten danach, den Konsequenzen aus dem Weg zu gehen.
Früher hatte es einige Zweifel daran gegeben, ob das Himmelslicht tatsächlich alle spirituellen Hindernisse zu beseitigen und somit eine Seele zu retten vermochte. Der Fall des Vergewaltigers und Serienmörders Barry Larsen wischte jedoch alle Einwände hinfort. Barry war gerade dabei gewesen, die Leiche seines jüngsten Opfers zu beseitigen, als er Zeuge einer Engelserscheinung wurde und das himmlische Licht erblickte. Es versetzte die Hinterbliebenen seiner Opfer in maßlose Wut, als man bei Barrys Hinrichtung beobachtete, wie seine Seele in den Himmel aufstieg. Priester bemühten sich, die Angehörigen zu beruhigen, indem sie ihnen – obwohl sie dafür keinerlei Beweise vorbringen konnten – versicherten, dass das himmlische Licht Barry in der kurzen Zeit, in der er es sah, die Schmerzen der Buße abverlangt haben musste, die für mehrere Lebensspannen gereicht hätten. Doch die Worte der Priester spendeten kaum Trost.
Neil bot das himmlische Licht ein Schlupfloch, mit dem er Phil Soames Einwand außer Kraft setzen konnte. So konnte er Sarah mehr lieben als Gott und dennoch mit ihr wiedervereint werden. Nur so durfte er eigennützig handeln und trotzdem in den Himmel kommen. Andere vor ihm hatten es geschafft, und vielleicht würde es auch ihm gelingen. Gerecht mochte das nicht sein, aber immerhin vorhersehbar.
Innerlich aber sträubte sich Neil gegen diese Idee, denn sie klang für ihn wie der Vorschlag, sich bei Depressionen einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Er stellte sich vor, dass es seine Persönlichkeit so drastisch verändern würde, dass er aufhören würde, er selbst zu sein. Dann fiel ihm ein, dass jeder Mensch, der in den Himmel gekommen war, sich derart verwandelt hatte; die Geretteten waren wie die Augenlosen, nur dass sie keine Körper mehr hatten. Das ließ Neil klarer erkennen, welches Ziel er eigentlich anstrebte: Egal, ob er seinen Glauben fand, indem er das himmlische Licht sah oder indem er sich den Rest seines Lebens abmühte – letztlich würde keine Wiedervereinigung mit Sarah das zurückbringen, was sie in der Welt der Sterblichen miteinander geteilt hatten. Sie beide würden im Himmel jemand anderer werden, und ihre Liebe füreinander würde aufgehen in der Liebe, die alle Erretteten für alles empfanden.
Diese Erkenntnis minderte Neils Sehnsucht nach einer Wiedervereinigung mit Sarah nicht, sondern spornte ihn sogar noch an, das himmlische Licht zu sehen. Seine Belohnung wäre dieselbe, ganz gleich, auf welchem Weg er sie erreichte. Die Abkürzung führte zu dem gleichen Ziel wie der übliche Weg.
Das himmlische Licht sehen zu wollen war andererseits um einiges schwieriger und auch gefährlicher als eine gewöhnliche Wallfahrt. Das Licht erschien nur, wenn ein Engel auf die Erde herabstieg oder wieder in den Himmel zurückkehrte, und da niemand wissen konnte, wo und wann ein Engel auftauchen würde, mussten Lichtsucher sich nach der Ankunft eines Engels um diesen scharen und ihm folgen, bis er die Sterblichen wieder verließ. Um ihre Chancen zu erhöhen, blieben die Lichtsucher einem Engel so dicht auf den Fersen wie nur möglich, was je nach Engel bedeutete, sich in der Nähe eines Tornados, einer Flutwelle oder eines sich auftuenden Abgrunds aufzuhalten. Den wenigsten Lichtsuchern glückte ihr Vorhaben, die meisten kamen dabei ums Leben.
Da es den Umständen entsprechend nur wenige Zeugen von solchen Expeditionen gab, waren die Statistiken darüber, was den gescheiterten Suchern widerfuhr, nur dürftig, aber ernüchternd waren die Zahlen dennoch. Im Gegensatz zu den gewöhnlichen Wallfahrern, deren Versuch, eine Wunderheilung zu empfangen, fehlgeschlagen war, und von denen etwa die Hälfte in den Himmel aufstieg, kamen alle Lichtsucher, die scheiterten, in die Hölle. Gut möglich, dass nur Menschen, die bereits verloren waren, überhaupt in Betracht zogen, das himmlische Licht zu suchen. Vielleicht galt der Tod unter diesen Umständen aber auch als Selbstmord. Neil war auf jeden Fall klar, dass er sich darauf einstellen musste, die Folgen eines solchen Vorgehens zu tragen.
Dass es bei diesem Vorhaben um alles oder nichts ging, gefiel Neil ebenso, wie es ihm Furcht einflößte. Die Vorstellung aber, dass er einfach weiterleben und versuchen sollte, seine Liebe zu Gott zu finden, trieb
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