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Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)

Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)

Titel: Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Chiang
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verwundete, indem es einen schweren Krug mit Palmöl umstieß, und einen weiteren sogar unter seinen Hufen zertrampelte. Nachdem die Unruhe sich gelegt hatte, betete Hassan zu Allah, er möge die Verwundeten heilen und den Toten in Frieden ruhen lassen, und er dankte Allah dafür, dass er ihn verschont hatte.
    Am nächsten Tag trat Hassan abermals durch das ›Tor der Jahre‹ und besuchte sein älteres Ich. »Wurdet Ihr durch das Pferd verletzt, als Ihr ihm begegnet seid?«, fragte er.
    »Nein, denn ich habe die Warnung meines älteren Ichs beachtet. Vergiss nicht, dass du und ich dieselbe Person sind; alles, was dir zustößt, ist einst auch mir geschehen.«
    Und so gab der ältere Hassan dem jüngeren Weisungen, und der jüngere befolgte sie. Er kaufte keine Eier bei seinem gewohnten Händler und wurde so von einer Krankheit verschont, die alle Kunden befiel, welche Eier aus dem verdorbenen Korb gekauft hatten. Er besorgte sich Hanf auf Vorrat und hatte somit Material für seine Arbeit, während andere wegen einer verspäteten Karawane einen Engpass hinnehmen mussten.
    Hassan vermied so manches Ungemach, indem er die Anweisungen seines älteren Ichs befolgte, doch er fragte sich, warum sein älteres Ich ihm nicht mehr offenbarte. Wen würde er heiraten? Wie würde er reich werden?
    Eines Tages dann, nachdem er all seine Seile verkauft und sich einer ungewöhnlich vollen Börse erfreute, stieß Hassan auf der Straße mit einem Jungen zusammen. Er tastete nach seiner Börse, merkte, dass sie fort war, und wandte sich rufend um, um nach dem Taschendieb zu suchen. Der Junge vernahm Hassans Rufe und floh sofort durch die Menge. Hassan sah noch, dass die Tunika des Jungen am Ellbogen zerrissen war, verlor ihn aber dann bald aus den Augen.
    Einen Moment lang war Hassan fassungslos, dass ihm so etwas widerfahren konnte, ohne dass ihn sein älteres Ich gewarnt hatte. Seine Überraschung aber wich bald seinem Zorn, und er nahm die Verfolgung auf. Er rannte durch die Menge, begutachtete die Ellbogen der Tuniken vieler Jungen, bis er den Taschendieb durch Zufall unter einem Obstkarren entdeckte. Hassan packte ihn und rief laut, dass er einen Dieb gefasst habe und jemand die Stadtwache verständigen solle. Aus Angst, verhaftet zu werden, ließ der Junge Hassans Börse fallen und begann zu weinen. Hassan schaute den Jungen lange an, und als sein Ärger schließlich verflogen war, ließ er ihn gehen.
    Als er sein älteres Ich das nächste Mal traf, fragte Hassan: »Warum habt Ihr mich nicht vor dem Taschendieb gewarnt?«
    »Hat dich dieses Erlebnis etwa nicht mit Freude erfüllt?«, fragte sein älteres Ich.
    Hassen wollte schon verneinen, doch dann hielt er inne. »Das hat es«, gab er zu.
    Die Jagd auf den Jungen hatte, ohne die Gewissheit, ob er Erfolg haben würde oder nicht, sein Blut in Wallung gebracht wie schon seit vielen Wochen nicht mehr. Und die Tränen des Knaben erinnerten ihn an die Lehren des Propheten über den Wert der Barmherzigkeit, und dass er den Knaben hatte ziehen lassen, erfüllte Hassan mit dem Gefühl, tugendhaft zu sein.
    »Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte dir dieses Erlebnis verwehrt?«
    So, wie wir im Laufe der Jahre den Wert von Sitten und Bräuchen verstehen, die uns als Jugendliche unnütz erscheinen, begriff Hassan nun, dass das Zurückhalten von Wissen ebenso sinnvoll sein konnte wie dessen Weitergabe. »Nein«, sagte er, »es war durchaus richtig von Euch, mich nicht zu warnen.«
    Der ältere Hassan sah, dass er verstanden hatte. »Nun werde ich dir etwas sehr Wichtiges sagen. Miete ein Pferd. Ich werde dir den Weg zu einem Ort im Vorgebirge westlich der Stadt beschreiben. Dort wirst du in einem Hain einen Baum finden, der vom Blitz getroffen wurde. Suche am Fuße des Baumes nach dem größten Stein, den du bewegen kannst, und grabe dann unter ihm.«
    »Wonach soll ich suchen?«
    »Das wirst du wissen, wenn du es findest.«
    Am darauffolgenden Tag ritt Hassan hinaus ins Vorgebirge und suchte, bis er den Baum gefunden hatte. Die Erde um den Baum herum war mit Steinen bedeckt, und Hassan wälzte einen großen Stein zur Seite, um darunter zu graben, dann noch einen, und noch einen. Schließlich traf sein Spaten auf etwas anderes als Erde und Stein. Er schaufelte die Erde beiseite und stieß auf eine Bronzekiste, die mit Golddinaren und verschiedenen Edelsteinen gefüllt war. In seinem ganzen Leben hatte Hassan noch nichts dergleichen gesehen. Er lud die Kiste auf das Pferd und ritt zurück

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