Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)
nach Kairo.
Als er das nächste Mal mit seinem älteren Ich sprach, fragte er: »Woher habt Ihr gewusst, wo der Schatz versteckt war?«
»Das habe ich von mir selbst erfahren«, sagte der ältere Hassan, »genau so wie du. Aber wie wir überhaupt von dem Versteck Kenntnis erlangt haben, kann auch ich nicht erklären, abgesehen davon, dass es dem Willen Allahs entsprach, und was für eine andere Erklärung könnte es sonst für irgendetwas auf der Welt geben?«
»Ich gelobe, dass ich mich dieser Reichtümer, mit denen Allah mich gesegnet hat, mit Bedacht bedienen werde«, sagte der jüngere Hassan.
»Und ich erneuere dieses Gelöbnis«, sagte der ältere. »Es ist dies das letzte Mal, dass wir miteinander reden. Du wirst nun deinen eigenen Weg gehen. Friede sei mit dir.«
Also kehrte Hassan nach Hause zurück. Mit dem Gold konnte er große Hanfvorräte erwerben, Arbeiter anstellen und ihnen einen gerechten Lohn zahlen und Seile mit Gewinn an alle verkaufen, die welche benötigten. Er heiratete eine schöne und kluge Frau, auf deren Rat hin er damit begann, auch mit anderen Gütern zu handeln, bis er ein wohlhabender und angesehener Kaufmann war. Während all dieser Zeit spendete er großzügig den Armen und lebte als ehrenwerter Mann. Auf diese Weise lebte Hassen ein glückliches Leben, bis der Tod, der Zerstörer aller Bande und Freuden, ihn heimsuchte.
Das ist eine bemerkenswerte Geschichte«, sagte ich. »Einen überzeugenderen Anreiz für jemanden, der sich nicht sicher ist, ob er das Tor benutzen soll oder nicht, kann ich mir nicht vorstellen.«
»Es ist weise von euch, skeptisch zu sein«, sagte Bashaarat. »Allah belohnt jene, die er zu belohnen wünscht, und straft, wen er zu strafen wünscht. Das Tor ändert nichts daran, was er von Euch hält.«
Ich nickte, in dem Glauben, verstanden zu haben. »Selbst wenn es jemandem gelingt, Unglück abzuwenden, das einem älteren Selbst widerfahren ist, gibt es keine Gewissheit, dass einem kein anderes Unglück widerfährt.«
»Nein, verzeiht einem alten Mann die Dunkelheit seiner Worte. Durch das Tor zu gehen, ist nicht dasselbe, wie ein Los zu ziehen, wo man jedes Mal eine neue Chance bekommt. Durch das Tor zu gehen, ist vielmehr so, wie wenn man einen Geheimgang in einem Palast benutzt, einen Weg, der einen schneller zu einem Zimmer führt als der Weg über die Flure. Das Zimmer aber bleibt dasselbe, ganz gleich, durch welche Tür man hineingelangt.«
Das überraschte mich. »Die Zukunft ist also unabänderlich? So wie die Vergangenheit?«
»Es heißt, dass Reue und Sühne die Vergangenheit ungeschehen machen können.«
»Das habe ich auch vernommen, aber meiner Erfahrung nach ist das nicht wahr.«
»Es tut mir leid, das zu hören«, sagte Bashaarat. »Alles, was ich Euch sagen kann, ist, dass die Zukunft sich nicht ändern lässt.«
Darüber dachte ich eine Zeit lang nach. »Wenn man also erfährt, dass man in zwanzig Jahren tot sein wird, dann kann man nichts unternehmen, um seinen Tod abzuwenden?« Er nickte. Zuerst erschien mir das sehr entmutigend, doch dann fragte ich mich, ob es nicht auch eine gewisse Sicherheit verhieß. Ich sagte: »Nehmen wir an, man erfährt, dass man in zwanzig Jahren noch leben wird. Nichts könnte einen also in den nächsten zwanzig Jahren umbringen. Man könnte an den waghalsigsten Kämpfen teilnehmen, denn es ist sicher, dass man überlebt.«
»Das ist möglich«, sagte er. »Es ist aber auch möglich, dass jemand, der sich auf diese Gewissheit verlassen würde, sein älteres Ich nicht mehr lebend vorfindet, wenn er das Tor zum ersten Mal durchschreitet.«
»Aha«, sagte ich. »Dann begegnen also nur die Besonnenen ihrem älteren Ich.«
»Ich will Euch die Geschichte eines anderen Mannes erzählen, der durch das Tor gegangen ist, und Ihr selbst mögt entscheiden, ob er weise war oder nicht.« Bashaarat begann mir die Geschichte zu erzählen, und wenn es Eurer Majestät gefällt, will ich sie hier wiedergeben.
Die Geschichte des Webers, der sich selbst bestahl
Es war einmal ein junger Weber, der Ajib hieß und ein bescheidenes Leben als Teppichweber führte, sich jedoch danach sehnte, die Annehmlichkeiten der Reichen zu genießen. Nachdem er die Geschichte von Hassan gehört hatte, schritt Ajib ohne zu zögern durch das ›Tor der Jahre‹, um sein älteres Ich aufzusuchen, das, so war er sich sicher, genauso reich und selbstlos sein würde wie Hassan.
Als er das Kairo in zwanzig Jahren betrat, begab er
Weitere Kostenlose Bücher