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Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)

Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)

Titel: Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ted Chiang
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fragte, was er dafür bekommen könnte. Raniya erkannte die Kette wieder. Er hatte sie ihr in den Tagen nach der Hochzeit geschenkt; sie hatte nicht gewusst, dass er einst versucht hatte, sie zu verkaufen. Sie stand ein wenig abseits und lauschte, wobei sie vorgab, einige Ringe zu begutachten.
    »Bring mir die Kette morgen, und ich werde dir tausend Dinare dafür zahlen«, sagte der Juwelier. Der junge Hassan akzeptierte den Preis und ging.
    Wie sie ihm nachblickte, hörte Raniya, wie zwei Männer sich nahebei unterhielten.
    »Hast du diese Halskette gesehen? Das ist eine von unseren.«
    »Bist du da sicher?«, sagte der andere Mann.
    »Das bin ich. Das ist der Lump, der unsere Kiste ausgegraben hat.«
    »Lass uns das dem Hauptmann berichten. Wenn dieser Kerl die Kette verkauft hat, erleichtern wir ihn um sein Geld und noch mehr.«
    Die beiden Männer gingen davon, ohne Raniya zu bemerken, die mit rasendem Herzen und reglos dastand wie ein Reh, an dem ein Tiger vorbeistreunte. Sie begriff, dass der Schatz, den Hassan gehoben hatte, einer Räuberbande gehört haben musste, und dass diese beiden Männer Mitglieder der Bande waren. Diese Bande behielt die Juweliere von Kairo im Auge, um denjenigen ausfindig zu machen, der ihre Beute entwendet hatte.
    Raniya wusste, dass der junge Hassan die Halskette nicht verkauft haben konnte, denn sie befand sich in ihrem Besitz. Auch wusste sie, dass die Räuber den jungen Hassan nicht getötet hatten. Doch es konnte nicht Allahs Wille sein, dass sie nichts unternahm. Allah hatte sie gewiss hierhergeführt, um sich ihrer in seiner Weisheit zu bedienen.
    Raniya kehrte zum ›Tor der Jahre‹ zurück, schritt hindurch in ihre eigene Zeit und holte in ihrem Haus die Halskette aus der Schmuckschatulle. Wieder nutzte sie das ›Tor der Jahre‹, doch statt durch die linke Seite zu gehen, ging sie durch die rechte, sodass sie das zwanzig Jahre in der Zukunft liegende Kairo betrat. Dort suchte sie ihr älteres Ich auf, nun eine gealterte Frau. Die ältere Raniya begrüßte sie herzlich und holte aus ihrer eigenen Schatulle die Halskette. Dann besprachen sich die beiden Frauen, wie sie dem jungen Hassan zur Seite stehen konnten.
    Die beiden Räuber kehrten am nächsten Tag mit einem dritten Mann zurück, von dem Raniya annahm, dass er der Hauptmann der Banditen war. Sie alle beobachteten, wie Hassan dem Juwelier die Halskette zeigte.
    Der Juwelier untersuchte die Halskette, als Raniya zu ihnen trat und sprach: »Was für ein Zufall! Juwelier, ich möchte eine Halskette verkaufen, die genauso aussieht wie diese hier.« Aus dem Beutel, den sie trug, holte sie ihre Kette hervor.
    »Das ist unglaublich«, sagte der Juwelier. »Niemals habe ich zwei Halsketten gesehen, die sich derart gleichen.«
    Dann trat die alte Raniya zu ihnen. »Was sehe ich da? Meine Augen täuschen mich sicherlich!« Und mit diesen Worten zog sie eine dritte Halskette hervor, die den beiden anderen glich. »Der Mann, der mir diese Kette verkaufte, versicherte mir, dass sie einzigartig sei. Das hier beweist wohl, dass er ein Lügner war.«
    »Ihr solltet sie vielleicht umtauschen«, sagte Raniya.
    »Das kommt darauf an«, sagte die ältere Raniya. Sie fragte Hassan: »Wie viel will der Juwelier Euch für Eure Kette bezahlen?«
    »Eintausend Dinare«, sagte Hassan verwirrt.
    »Wirklich? Juwelier, würdet Ihr diese hier auch kaufen wollen?«
    »Ich muss mein Angebot überdenken«, sagte der Juwelier.
    Während Hassan und die ältere Raniya mit dem Juwelier feilschten, entfernte sich Raniya weit genug von ihnen, um zu hören, wie der Räuberhauptmann die beiden Diebe schalt. »Ihr Narren«, sagte er. »Das ist eine gewöhnliche Halskette. Fast hätten wir wegen euch die Hälfte der Juweliere Kairos gemeuchelt und die Stadtwache auf uns aufmerksam gemacht.« Er gab den beiden eine Backpfeife und führte sie weg.
    Raniya wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Juwelier zu, der sein Angebot, Hassans Halskette zu kaufen, zurückzog. Die ältere Raniya sagte: »Also gut. Ich werde versuchen, die Kette dem Mann zurückzugeben, von dem ich sie gekauft habe.« Als die alte Frau den Laden verließ, konnte Raniya sehen, dass sie unter ihrem Schleier lächelte.
    Raniya sprach Hassan an. »Mir scheint, heute wird keiner von uns beiden eine Halskette verkaufen.«
    »Vielleicht ein anderes Mal«, sagte Hassan.
    »Ich werde meine Kette wieder nach Hause bringen und aufbewahren«, sagte Raniya. »Wollt Ihr mich begleiten?«
    Hassan erklärte

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