Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes (German Edition)
sich zu Geiz, und bedachte Entscheidungen wurden zu knauserigen. Schlimmer noch war, dass Ajibs und Taahiras Zuneigung füreinander im Lauf der Zeit verblasste und sie wegen dem Geld, das sie nicht ausgeben konnten, anfingen, einander mit Groll zu behandeln.
Auf diese Weise vergingen die Jahre, und Ajib wurde älter und wartete darauf, dass ihm das Gold zum zweiten Mal gestohlen wurde.
Was für eine seltsame und traurige Geschichte«, sagte ich.
»In der Tat«, entgegnete Bashaarat. »Würdest du sagen, dass Ajib weise gehandelt hat?«
Ich zögerte, bevor ich antwortete. »Es steht mir nicht zu, über ihn zu richten«, sagte ich. »Er muss mit den Folgen seiner Taten leben, so wie ich mit den meinen.« Ich schwieg für einen Moment und sagte dann: »Ich bewundere Ajibs Aufrichtigkeit, dass er dir alles erzählt hat, was er getan hat.«
»Ah, aber Ajib hat mir seine Geschichte nicht erzählt, als er ein junger Mann war«, sagte Bashaarat. »Nachdem er mit der Kiste aus dem ›Tor der Jahre‹ trat, habe ich ihn zwanzig Jahre lang nicht mehr gesehen. Ajib war ein weit älterer Mann, als er zurückkam, um mich zu besuchen. Er war nach Hause gekommen und bemerkte, dass jemand die Kiste gestohlen hatte, und aufgrund des Wissens, dass er seine Schuld beglichen hatte, sah er sich in der Lage, mir alles, was sich zugetragen hatte, zu erzählen.«
»Tatsächlich? Ist auch der alte Hassan aus deiner ersten Geschichte zu dir gekommen, um dir alles zu erzählen?«
»Nein. Hassans Geschichte hat mir sein jüngeres Ich erzählt. Der ältere Hassan ist nie wieder in mein Geschäft zurückgekehrt, aber an seiner statt hatte ich einen anderen Besucher, jemand, der mir eine Geschichte über Hassan erzählte, die er mir selbst niemals hätte erzählen können.« Bashaarat begann, mir die Geschichte dieses Besuchers zu erzählen, und wenn es Eurer Majestät gefällt, will ich sie hier wiedergeben.
Die Geschichte der Ehefrau und ihres Geliebten
Raniya war seit vielen Jahren mit Hassan verheiratet, und sie waren äußerst glücklich miteinander. Eines Tages sah sie, wie ihr Gatte mit einem jungen Mann speiste, der dem jungen Hassan, den sie geheiratet hatte, wie aus dem Gesicht geschnitten war. So groß war ihre Verwunderung, dass sie sich kaum beherrschen konnte, das Gespräch der beiden zu stören. Nachdem der junge Mann gegangen war, bedrängte sie Hassan, ihr zu erklären, wer das gewesen war, und Hassan erzählte ihr seine unglaubliche Geschichte.
»Hast du ihm von mir berichtet?«, fragte sie. »Wusstest du damals, was dir bevorstand, als wir uns das erste Mal begegnet sind?«
»Von dem Augenblick an, da ich dich sah, wusste ich, dass ich dich heiraten würde«, sagte Hassan lächelnd. »Aber nicht etwa, weil mir das jemand gesagt hätte. Weib, sicherlich würdest du ihm diesen Augenblick doch nicht verderben wollen?«
Raniya sprach also nicht mit dem jüngeren Ich ihres Gatten, sondern belauschte nur die Unterhaltung der beiden und warf verstohlene Blicke auf den jüngeren Hassan. Ihr Puls beschleunigte sich beim Anblick seiner jugendlichen Gestalt; unsere Erinnerungen täuschen uns zuweilen mit ihrer Süße, doch wie sie die beiden Männer einander gegenübersitzen sah, wurde ihr die ganze Schönheit des jüngeren Ichs ohne Übertreibung gewahr. Des Nachts lag sie wach und dachte an ihn.
Einige Tage nachdem Hassan sein jüngeres Ich verabschiedet hatte, brach er nach Damaskus auf, um einige Geschäfte mit einem Kaufmann zu tätigen. Während seiner Abwesenheit suchte Raniya das Geschäft auf, welches Hassan ihr beschrieben hatte, und schritt durch das ›Tor der Jahre‹ in das Kairo ihrer Jugend.
Sie erinnerte sich, wo der junge Hassan damals gelebt hatte, und machte ihn so ausfindig und folgte ihm. Bei seinem Anblick fühlte sie, wie ihr Verlangen für ihn mächtiger war als alles, was sie seit Jahren für den alten Hassan empfunden hatte, so lebhaft waren ihre Erinnerungen an ihre jugendlichen Liebesspiele. Sie war immer eine ergebene und treue Ehefrau gewesen, doch hier bot sich eine Gelegenheit wie keine zweite. Entschlossen, ihrem Verlangen nachzugeben, mietete Raniya ein Haus und begann es in den folgenden Tagen einzurichten.
Als das Haus hergerichtet war, folgte sie Hassan unauffällig und versuchte dabei Mut zu schöpfen, um ihn anzusprechen. Im Bezirk der Juweliere beobachtete sie, wie er zu einem Juwelier ging, dem er eine Halskette mit zehn Schmucksteinen zeigte, und wie er den Händler
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