Die Hölle lacht
entfernt davon. Und du bist gefühlsselig, Betos, das wäre Urdus nicht recht.«
In seinem Traum brannte Urdus lichterloh und er rannte, und keuchte, und das Feuer in seiner Lunge brannte immer schmerzhafter, je mehr er sich bemühte zu entkommen. Das Zischeln und Gleiten der Schlange hinter ihm erschien ihm fast ohrenbetäubend. Er warf furchtsame Blicke über die Schulter und sah nur die glühenden Augen der Riesenschlange, die ihn schon fast erreicht hatte. Sein Atem war nun ein Röcheln, und sein Schweiß verstopfte alle Poren und drohte ihn zu ersticken. Aus dem wieder klaffenden Rachen schlug ihm faulige Luft entgegen, die ihn noch mehr würgte. Er rannte weiter, rannte und rannte, doch die Luft wurde nun selbst zur Falle, sie war breiig, hielt ihn fest. Er vermochte sich nicht hindurchzukämpfen, erstickte, würde sterben und nichts konnte ihm helfen. Der Rachen des Hexers würde ihn in einem Stück verschlingen. Er schlug um sich, schrie, drehte sich um und hob sein Schwert, doch da war nichts als er selbst, die hindernde Luft und seine Furcht - die Furcht, die so wirklich war wie der Gestank in der Luft: der grauenvoll faule Atem, der an den Ästen haftete und von den regenschweren Blättern auf den moosig-schlammigen Boden unter seinen Füßen sickerte.
Der Mond schien durch die tropfenden Zweige.
»Er beruhigt sich«, sagte Betos.
Einige der Männer brummelten.
»Machen wir eine Bahre für ihn«, schlug einer vor. »Wir können zwei dünne Stämme nehmen, sie mit unseren Hemden verbinden und ihn drauflegen. Zumindest kommen wir damit weiter und brauchen nicht untätig abzuwarten, bis die Aquilonier uns erwischen und den Garaus machen.«
Betos schien darüber nachzudenken.
Da packte eine raue Hand ihn am Nacken und riss ihn nach hinten. Betos riss sich los. Er richtete sich auf und starrte wutfunkelnd in die von wilder Furcht erfüllten Augen des anderen.
»Willst du denn nicht frei sein, Betos?« knurrte der Mann. »Willst du in diesem grässlichen Wald sterben wie der Rest dieser Narren?«
Der Mond stand hoch, und genug seines Lichts filterte durch das Laubwerk, um jedes Gesicht der Männer um Betos erkennen zu lassen. Betos blickte sie einzeln an.
»Nun?«
»Wir sind dafür!« antworteten ein paar.
»Er scheint das Schlimmste überstanden zu haben.«
»Ihn zu tragen, wird ihm schon nicht das Leben kosten.«
»Schließlich müssen wir auch an uns denken.«
Betos sah sich gezwungen, diese Vernunftgründe anzuerkennen. »Na gut«, brummte er.
Die Männer seufzten schwer. Sie fällten junge Bäume, hackten ihre Zweige ab, dann banden sie ihre Hemden mit den Ärmeln und Schlingpflanzen an die Tragestangen. Sie hoben Urdus auf diese behelfsmäßige Bahre und vier Männer trugen ihn. Betos blieb an Urdus’ Seite, um ihm immer wieder die nasse Stirn mit einem längst nicht mehr trockenen Lappen abzuwischen.
Athu stand stumm über den Gräbern der gefallenen Aquilonier. Seine Augen glühten in der Dunkelheit. Der Tod ließ sich nicht vor ihm verbergen, weder durch die Dunkelheit des Waldes, noch durch aufgehäufte Erde. Er spürte seine Anwesenheit nun wie mit einem sechsten Sinn. Das Leben war etwas anderes. Selbst vor Os Harku hatte er gespürt, wie sein Menschsein immer mehr schwand, je tiefer er in die Geheimnisse der Zauberei eindrang. Nun spürte er das Leben fast wie etwas Fremdes, Abstoßendes, und er wusste, dass dieses Gefühl noch stärker werden würde. Selbst die Lüste, die er noch zu verspüren imstande war, erschienen ihm irgendwie unbedeutend, ja eklig und verworfen – das war ihm an diesem Abend so richtig bewusst geworden.
Er schob diesen Gedanken von sich, setzte seine Zederntruhe ab und öffnete ihren Deckel. Das rote Glühen aus ihrem Innern beleuchtete seine Züge.
»Ein weiteres Opfer dir, o mächtiger Ordru«, betete er. »Von den Neugetöteten sammle ich die Blutessenz für dich. Nya ka nokomis, iantu retlaik …«
Ein rotes Leuchten wie von unzähligen Glühwürmchen stieg aus der Erde über den Gräbern auf. Allmählich wuchsen die einzelnen Lichtpunkte und schlossen sich zu mehreren zusammen.
»Intu nakara, nopis Ordru anoka …«
Rinnsale glühenden Rots strömten aufwärts, schienen sich miteinander zu verflechten und flossen langsam in die Zederntruhe. Das rote Glühen in ihr wurde heller, glich fast dem Feuer in einem Herd. Dann lösten die letzten roten Fühler sich vom Boden, sickerten in die Truhe und vereinten sich mit dem roten Glühen. Athu,
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