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Die Hölle von Tarot

Die Hölle von Tarot

Titel: Die Hölle von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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nicht, daß Urban ein schlechter Mensch war; er war ein kompromißloser Reformer, der sich niemandem und keinem Prinzip beugte.“
    „Das gab sicher Aufruhr“, murmelte Bruder Paul.
    „Genau. Sein rauhes Wesen entfremdete bald die Kardinäle, besonders die französischen. Sie erklärten seine Wahl für nichtig und wählten Robert aus Genf, der zu Papst Clemens VIII. wurde und sich in Avignon niederließ. Das mußte er auch; denn in Rom wäre sein Leben in Gefahr gewesen. Vor drei Jahren starb Urban, aber sein Tod löste das Problem nicht. Die Italiener ersetzten ihn durch Bonifaz IX.“
    Mit offensichtlicher Befriedigung knipste sich der Gaukler eine Laus vom Kopf. „So haben wir also nun zwei Päpste“, fuhr er fort. „Welcher der richtige ist und welcher der Antipapst, vermag niemand mit Gewißheit zu sagen. In Italien ist es das beste, Bonifaz zu nennen, in Frankreich Clemens.“ Er machte eine Geste gutmütiger Hilflosigkeit. „Wie froh bin ich, daß wir Waldenser keinen dieser Clownpäpste anerkennen. Aber täusch dich nicht – beide würden mich an einem Fuß aufhängen, wenn sie mich als barba fingen. Die Menschen an sich mögen lächerlich sein, doch das Amt bleibt mächtig.“
    Bruder Paul dachte an einige der politischen Winkelzüge seiner Zeit und stimmte zu. „Wenn es dich irgendwie tröstet: Das hat man gelöst. In meiner Zeit gibt es nur einen Papst. Aber natürlich gibt es viele christliche Religionen, die sich nicht nach dem katholischen Papst richten. So besehen ist es in dieser Hinsicht verwirrender als zuvor.“
    Der Gaukler stellte weiter das Spiel vor, Bild um Bild, während Bruder Paul so hingerissen lauschte, daß er sich nicht mehr müde fühlte, ungeachtet der Strecke, die sie dabei zurücklegten. Hier hatte er das wahre Tarot gefunden!
     
    Sie folgten dem Rhein stromabwärts und gelangten in ein Dorf des Heiligen Römischen Reiches – eine Gegend, die Bruder Paul in seinen Tagen als Deutschland kennengelernt hatte. In besiedelten Gebieten war der Gaukler von äußerster Vorsicht, weil er die offene Verfolgung fürchtete; für die Waldenser war das Reich zu dieser Zeit nicht gerade der sicherste Ort.
    Ein Großteil der Gegend war dicht bewaldet und wunderbar unberührt, doch das Tarot faszinierte Bruder Paul derart, daß er kaum bemerkte, wohin sie gingen und was um sie herum war. Die einzelnen Bäume hätten Wolkenkratzer des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen oder auch vollständig fremdartige Formen sein können, und er wäre dennoch fröhlich daran vorbeigegangen, ohne sie zu beachten.
    Im Dorf stellte der Gaukler einen Tisch auf und führte seine Kunststückchen vor. Er war ein höchst gewandter Zauberer, dem es Spaß machte, die Zuschauer zu erstaunen und die Kinder zum Lachen zu bringen. Die Bauern warfen dankbar ein paar kleine Münzen in seinen Hut, aber selbst ein Obolus reichte hier weit.
    Sie empfingen jedoch kein geheimes Zeichen; daher gab es keine Predigt an die waldensischen Gläubigen.
    „Hier hatte ich auch keinen Kontakt erwartet“, vertraute ihm der Gaukler an. „In der Nähe von Worms gibt es viele Gläubige. Ich treffe Vorkehrungen, daß wir die Nacht in einem Stall verbringen können.“
    „Der Stall war gut genug für die Geburt des Erlösers“, murmelte Bruder Paul. Er hatte bereits eine Läusekolonie in seinen Kleidern; daher konnte er kaum weiteres Ungeziefer aus der Umgebung aufnehmen. Seine Füße waren wund, die Muskeln steif, und die unvertraute Kleidung rieb die Haut an manchen Stellen wund. Er würde sich überall ausruhen können. Als er schlief, träumte er vom Tarot – in der Annahme, er bliebe nun in dieser Umgebung, da sein Wunsch in Erfüllung gegangen war.
    Am nächsten Morgen befand er sich immer noch im vierzehnten Jahrhundert. Sein Körper fühlte sich noch steifer und wunder an und war übersät mit verschiedenen Beulen von Insektenstichen.
    Doch frisches Wasser und schwarzes Brot ließen ihn sich besser fühlen, und als sie den Weg wieder aufnahmen, vertrieb die Bewegung bald die Steifheit aus den Gliedern. Es ging ihm nicht gerade gut, aber er kam damit zurecht. Doch er fragte sich: Warum bin ich noch hier?
    Während sie nach Norden weitergingen, auf die freie Reichsstadt Worms zu, geriet der Gaukler plötzlich ins Stolpern. „Ah, dieser Durst!“ rief er.
    Durst? Bruder Paul fing ihn am Arm auf und stützte ihn. Der Mann fühlte sich heiß an!
    „Freund, du hast Fieber!“ sagte Bruder Paul. „Du mußt dich ausruhen. Ich hole

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