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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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du dich selbst.«
    Macciato gehörte zu den Menschen, die sich selbst zu Tränen rühren können. Die Zigarette hing ihm schon im Mundwinkel, als
     er bemerkte, was er tat.
    Sie landeten in einem der Klubräume, in dem er eine einzige Zigarette rauchte. Aber sie blieben sitzen. Angeblich hatte er
     zwischen Celle und Hannover immer noch einige Eisen im Feuer. Er lieh jungen Talenten Geld und beobachtete, wie sie sich machten.
     Wer nicht spurte, war draußen. Wer gut |102| war, durfte ihm in den Osten folgen, durchlief eine Ausbildung zum Diplom-Nachtklubpolen und wurde auf die Regionen mit Zukunft
     verteilt, zurzeit ins alte Schlesien und an die Küste.
    »Womit wir in der Heimat wären«, sagte die Kommissarin.
    »Womit wir in der Heimat wären«, bestätigte er, »meiner verhassten, geliebten alten Heimat.«
    Die Hütte hatte er im Verlauf einer Pokernacht gewonnen, bei der es um die Rechte an einem Beherbergungsbetrieb in Autobahnnähe
     ging. Nie fiel das Wort Bordell, Macciato war über das Stadium hinaus, wo er angeben musste.
    »Ich dachte, mir gehört eine Hütte im Erzgebirge. Dann stand ich mit dem Notar vor der Karte und dachte bis zum Schluss, dass
     der Kerl schwach in Erdkunde ist. War er aber nicht. Die Hütte war zuletzt für Jagden und als Liebesnest genutzt worden. Eine
     Nachbarin rückte die Schlüssel heraus, nachdem sie einen Anruf erhalten hatte. Der Name fiel Macciato auf die Schnelle nicht
     ein, weil es schon so lange her war. Die unsittliche Nutzung der Immobilie hörte sofort auf.
    »Nennen Sie mich rührselig. Nennen Sie mich kitschig. Aber ich konnte das nicht verantworten. Hier leben schließlich Kinder.«
    Die Kommissarin versicherte ihm, dass sie in dieser schweren Minute an seiner Seite sei. Er nahm das unkommentiert hin, obwohl
     ihm der Spott nicht entgangen sein konnte.
    Gebeten, die Nutzung der Hütte in den letzten Jahren zu dokumentieren, zog er sein Smartphone aus der Tasche. Vor der Reise
     Richtung Westen hatte er angeblich alles gespeichert, was er brauchte. Nutzung seit 1997: ein Autor, der sich |103| hier erschossen hatte, nachdem er zwei Jahre Drehbücher für eine Fernsehserie verfasst hatte, die eine Woche vor Drehbeginn
     gestoppt worden war, weil ein anderer Sender mit dem gleichen Stoff schneller gewesen war. Danach Leerstand und Nutzung als
     Ferienhaus, was sich als Fehlschlag erwiesen hatte. Zwei Jahre Vermietung an eine Frau aus dem Dorf. Danach Leerstand und
     ein Einbruch, bei dem alle beweglichen Teile gestohlen worden waren. Danach, man befand sich mittlerweile im Jahr 2006, vermietet
     an ein Paar, das sich eine Existenz als Wahrsager und Astrologen aufbauen wollte. Auszug, weil der von der Telekom zugesagte
     schnelle Internet-Anschluss nicht geliefert werden konnte. Leerstand und Überfall durch Waschbären, die einen Schaden in Höhe
     von 4000 Euro anrichteten. Vermietung an einen Therapeuten, der vier schwer erziehbare Jugendliche unterbrachte, die die Hütte
     an zehn Drogenabhängige untervermieteten, was der Therapeut erst mitbekam, als ihn die Polizei darüber informierte.
    »Danach hatte ich die Faxen dicke«, berichtete Macciato. »Hier war ja offensichtlich der Wurm drin.« Aber was sollte er tun?
     Abriss und Neubebauung wären in einer Gegend mit Nachfrage die Lösung gewesen, hier hätte man damit Geld verbrannt.
    »Ich hab’s offen gestanden verdrängt. Mit der Vermietung hatte ich sowieso nie etwas zu tun, das lief immer über mein Büro
     – ja, es gibt da noch einige Mietobjekte, 48 insgesamt. Sie haben nicht zufällig Bedarf? Na, vielleicht später mal.«
    Macciato hatte die Hütte in der Heide innerlich abgeschrieben, vor über einem Jahr dann über Kanäle, die seine Tätigkeit mit
     sich brachte, von einem Paar gehört. Bedürftig |104| und auf der Suche. Nicht gerade das, was man sich als ideale Mieter vorstellte, aber alles war besser als Leerstand. Leerstand
     verträgt kein Haus. Macciato hatte sich mit den beiden in der Hütte getroffen. Bordon zahlte ein paar Euro, mehr eine Geste
     des guten Willens als eine Mietzahlung. Das hörte auch bald auf. Er vertröstete Macciato auf bessere Zeiten, die natürlich
     nie eintraten, was Macciato auch gewusst haben wollte.
    Die Kommissarin bohrte nach, bei den Kanälen handelte es sich um eine Kneipe im kleinen Salzwedel gleich hinter der alten
     Grenze in Sachsen-Anhalt.
    Macciato berief sich auf sein gutes Herz. Nein, er hatte die beiden vorher nicht gekannt und sie auch nur einmal

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