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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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dem Ruder gelaufen, aber sie war frei.
    Allein mit dem Neugeborenen, rief die alte Karolina ihre junge Kollegin an, legte das Kind ins Bett und verschwand auf Wegen,
     die Einheimische kennen.
     
    Irena trank ihr Glas aus, Karl saß ihr gegenüber auf dem Sofa. Das Licht der Kerzen war zu schwach, um den Ausdruck auf seinem
     Gesicht zu erleuchten.
    »Das kannst du alles nicht wissen«, sagte sie leise. »So kann es gewesen sein, aber so sollte es nicht gewesen sein.«
    Er schwieg und hörte nichts als Schweigen und Hunde, die im Schlaf knurrten.

|158| 30
    Fünf Flaschen standen auf dem Tisch, alle aus dunkelgrünem Glas, alle weniger als halbvoll. Kryptische Zeichen auf den Etiketten.
     Wassergläser klirrten, Kehlen schluckten.
    »Ich verstehe das Geheimnis«, sagte Macciato. »Du darfst nicht nippen, du musst kippen.«
    »Kluger Junge«, brummte die alte Karolina.
    »Und niemand soll erfahren, was drin ist?«
    »Niemand.«
    »Auch nicht gegen gutes Geld?«
    »Niemand.«
    Er trank aus und schmatzte verzückt. Dann fragte er weiter: ernsthaft und konzentriert, fragte vier Jahrzehnte Dorfleben in
     Hammerloh ab. Systematisch ging er eine Familie nach der anderen durch, hielt sich nicht bei denen auf, die keine Wurzeln
     geschlagen hatten, verharrte lange bei den anderen.
    Die alte Karolina wusste alles, sie war die Spinne im Netz der örtlichen Geschehnisse. Ihr Beruf hatte sie in jedes Haus geführt:
     reich, arm, Akademiker, Proletarier, verschlossene Figuren, redselige Naturen. Nur Kinder mussten zur Welt kommen, eine zweite
     Voraussetzung war nicht nötig. Oft lag nicht einmal eine Schwangerschaft vor, bei medizinischen Notfällen nahmen die Leute
     gern mit der Hebamme vorlieb. Ihr unterstellte man umfassendes medizinisches Wissen, sie hatte Brüche geschient und eingeklemmte
     Hände aus Schlagfallen befreit. Sie erlebte Menschen in Ausnahmesituationen, in ihrer Gegenwart hatten Zurückhaltung und Schweigen
     keine Geltung. In Gegenwart der Hebamme war jedes Thema |159| statthaft. Wenn die Hebamme schon im Haus war, konnte man sie auch gleich zu Fragen von Erziehung, Haushaltsgeld, Immobilienerwerb,
     Testamentsänderung und Körperhygiene befragen. Manches war unappetitlich, vieles bizarr. Sie erfuhr mehr als die Geistlichen.
    Pastoren hatten in diesem Dorf nie eine Rolle gespielt, mit ihrer Vernünftelei erreichten sie die Herzen der Menschen nicht.
     Sie wechselten auch zu oft, alle fünf Jahre musste man sich an ein neues Gesicht gewöhnen. Eine Zeitspanne, die nicht lang
     genug war, um Vertrauen entstehen zu lassen.
    Die Hebamme war erstaunt, wie viel der Mann aus dem Osten schon gewusst hatte, bevor er ihr Haus betrat. Die Immobilie besaß
     er erst seit einigen Jahren, sein Interesse war älter, auch wenn es keine Spuren in Grundbüchern hinterlassen hatte. Und weil
     er sich so gut auskannte, hörte man ihm selbst dann zu, wenn man sich noch besser auskannte. Macciato wollte alles wissen,
     und die alte Hebamme konnte ihm vieles sagen, denn sie kannte Menschen und ihre Motive.

31
    Am frühen und mittleren Abend war es im Bordon-Haus still. Der Fernseher lief erst ab 23 Uhr, wenn die interessanten Filme
     begannen. Irena saß am Küchentisch und bemalte Etiketten für die Gläser und Dosen, die die Täuber-Schwestern auf den Märkten
     der Umgebung verkauften: Marmelade, Honig, Gewürze.
    Macciato betrat die Hütte, ohne anzuklopfen. Seine |160| Begleiterin war zu blond, um wahr zu sein. Außerdem hochschwanger. Er liebte sie seit vier Monaten, schwanger war sie seit
     acht. Er wollte mit ihr ein neues Leben anfangen und seine Klubs künftig von Männern seines Vertrauens managen lassen. Die
     Schwangere war die Frau seines dienstältesten Geschäftsführers. Der war nicht amüsiert und hatte Macciato den Tod angedroht.
     Angeblich würde der Prozess des Sterbens sehr schmerzhaft werden und sich über viele Stunden hinziehen.
    Am nächsten Tag kam das Kind zur Welt, der Geschäftsführer, rasend vor Zorn, platzte in die Hütte. Der alten Karolina gelang
     es mit Mühe, ihn so lange ruhigzustellen, bis das Kind zur Welt gekommen war. Aber der Mann war angefüllt mit Hass und Zorn.
     Weil Macciato nicht greifbar war, suchte er Streit mit Bordon. Irena und die Hebamme brachten Mutter und Kind in Sicherheit,
     die Männer kämpften. Der Kampf hörte nur auf, weil sie zu schwer verletzt waren. Beide erlagen ihren Verletzungen. Macciato
     tauchte wieder auf, küsste seine Geliebte und das Kind und legte

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