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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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ließ es zu. Ihre Arme hingen nicht willenlos am Körper herab.
    »Mist«, murmelte Küchenmeister.
    »Was hast du denn gedacht? Dass er ein Geständnis ablegt?«
    »Natürlich nicht. Aber ein wenig widerlicher hätte es schon sein dürfen.«
    Macciato wollte Irena gar nicht mehr loslassen. Selbst als sie sich nicht mehr umarmten, hielten seine Hände ihre Schultern.
    »Irena«, sagte er, »endlich.«
    »Die Welt ist klein«, sagte sie schüchtern.
    »Sie ist gewalttätig und schrecklich, schrecklich ungerecht. Im Grunde dürfte ich das nicht dulden.«
    Der Geschäftsmann sülzte noch ein wenig herum, bis Küchenmeister dazwischentrat und sagte:
    »Wenn Sie mich umarmen, kriegen Sie Sicherungsverwahrung.«
     
    Gegessen wurde in der »Hölzernen Hedwig«. Die Kommissarin hatte auf einem separaten Raum bestanden. Als die Gänseteile auf
     den Tisch kamen, ließ Marvin erkennen, dass man dies ihm zu verdanken habe. Angeblich war er davon ausgegangen, dass man hier
     früher oder später landen werde. Drei Fahnder, Irena und Macciato. Die Kellnerin führte sich auf, als sei Marvin der Kopf
     der Tafel und nicht ihr Wurmfortsatz. Küchenmeister verwüstete dem Bengel anerkennend die Frisur. »Bist doch mein Bester«,
     sagte er und verordnete absolutes Alkoholverbot. Er genoss den Blick in vier verdutzte Gesichter, um sich dann |188| kokett ein Bier abbetteln zu lassen. Danach noch eins und noch eins.
    Das war das Ende des gemütlichen Teils. Denn als zu Brust und Keule das Stichwort »Schatz« auf den Tisch kam, wusste Irena
     nicht mehr, was dieses Wort im Deutschen bedeutet. Und Macciato wollte nicht glauben, dass die Fahnder ihr Ansinnen ernst
     meinten.
    Die Kommissare versuchten es erst im Guten, dann wurde die Stimmung bewölkt. Am Ende telefonierte die Kommissarin.
    20 Minuten später saß Brügge am Tisch, verstaubt und mit hochgekrempelten Ärmeln, der Anruf hatte ihn von seinen Bücherbergen
     getrennt.
    Er haute rein, angeblich war die Gans der Grund, warum im Gasthaus zwischen dem Martinstag am 11. November und Silvester reserviert
     werden musste. »Das ist die Vorhut«, teilte Brügge mit. »Offiziell kriegst du hier vor dem 11. November kein Stück Gans.«
    Sie gaben Macciato eine letzte Chance, er mauerte und sagte: »Ich bin selbst gespannt.«
    Brügge lachte ihn an und sagte: »Du Halunke. Du weißt doch Bescheid.«
    Das Gefangenenlager der Nazis, 30 Kilometer entfernt. In der Beschaulichkeit der Heide, denn damals gab es hier noch Heide,
     hatte man alle Zeit der Welt, um sich seinem Daseinszweck zu widmen: zu verhören, zu quälen und bei zunehmender Knappheit
     nach allem zu suchen, was sich versilbern ließ. Ein obskurer Mix aus Gefängnis und KZ, ein Verschiebebahnhof für Schicksale,
     denn wenn man schon dabei war, konnte man sich auch mit denen beschäftigen, die so frei |189| gewesen waren, sich für die konservative Zentrumspartei einzusetzen und für die Kirche und für die Zivilisation. Das war in
     den 20er Jahren gewesen, als freie Entscheidungen noch möglich gewesen waren und in den Jahren bis 1933. Sogar noch etwas
     länger, denn auf dem Land wurde nach der letzten Wahl der Hebel nicht so schnell umgelegt wie anderswo.
    Bis zur Befreiung erfüllte das Lager seinen Zweck, zuletzt landeten hier Zwangsarbeiter, die Probleme hatten, unter Zwang
     zu arbeiten. Große Dimensionen und überregionale Bekanntheit erreichte das Lager nie, es blieb die zweite Liga des Terrors.
     1945 wurden die Häftlinge ausgetauscht, die Gefangenen schleppten sich in die Freiheit, viele starben in den ersten Tagen.
     Dafür rückten inhaftierte Faschisten ein, alles, was der alten Ordnung zugeordnet wurde, sammelte sich hier. Nicht wenige
     Wärter und Bürokraten wurden geschnappt, als sie die Möbel auf den zur Flucht bereit stehenden Wagen luden. Dann gingen manchmal
     nicht nur die Möbel kaputt, sondern auch die Knochen. So sammelte sich Gold und Silber und Geld an. Viele der alten Häftlinge
     waren mit gefüllten Koffern ins Lager eingerückt. Silberbestecke, Uhren, Ringe, Schmuck, über einen Zeitraum von 20 Jahren
     hatten sich Wertgegenstände angesammelt. Es war fraglich, ob alles bis zuletzt im Lager geblieben war, das nach dem Krieg
     in einem baulichen Gewaltakt planiert wurde. Nicht wenige Häuser in den Dörfern wurden damals von Wächtern bewohnt. Sehr wahrscheinlich,
     dass die Aufpasser an manchen Tagen nicht nur Essensreste mit nach Hause brachten.
    Das Geraune von einem Schatz begann

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