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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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landeten sie bei den Schafen. Sie waren die andere Welt, die Irena nicht pausenlos an
     die letzten Tage erinnerte. Vielleicht lag es auch an Karl. Er hatte nicht den Kavalier herausgekehrt, der seine Freundin
     in schwerer Stunde beschützen würde. Er hatte etwas ausgestrahlt, das klarmachte: Ich bin hier, ich bleibe hier. Wenn du willst,
     komm zu mir. Karl sorgte dafür, dass die Hunde ihre Neugier zügelten und ertrug sogar Marvins Anwesenheit.
    »Ich bin gar nicht da«, sagte der junge Polizist zu Karl. »Ich passe nur auf, dass du keine Dummheiten machst.«
    Karl blickte zwischen den Hunden und Marvin hin und her. Er tat es so oft, bis Marvin die Blicke nicht mehr ignorieren konnte.
    Irena fragte nicht, was die Fahnder hören wollten. Sie begann einfach.
    Wäre sie in der Schule nicht so ein Sprachtalent gewesen, wäre sie nicht an der deutsch-polnischen Grenze gelandet. Sie wurde
     vom ersten Tag an respektiert und gehörte bald zu denen, die Verantwortung trugen. Jede Prostituierte deckte einen Sektor
     der Begehrlichkeit und erotischen Phantasie ab. Zwei Heidis wären eine zu viel gewesen, mehr als eine Lederkluft musste nicht
     sein, ein Blümchenkleid reichte vollkommen |182| aus. Irena war schmächtig, fast zart. Nur die Brüste passten nicht zum Körper eines Kindes. Sie hatte kurze Haare und trug
     keinen Schmuck. Sie redete leise und gab nicht an. Sie ließ den Freiern die Zeit, die sie brauchten. Sie bestimmten das Tempo
     und wurden nicht gedrängt, das war wichtig.
    Irena brachte den zweitgrößten Umsatz, nie belegte sie Platz 1. Die, die oben saß, sahnte ab und zog bald weiter, denn wer
     gut war, musste nicht in Görlitz sein. Macciato mochte sein zweitbestes Pferd im Stall, mit Irena unterhielt er sich sogar.
     Sie war nicht frech und nicht unterwürfig. Sie war stolz, aber nicht so sehr, dass sie beim Chef den Wunsch weckte, ihren
     Stolz zu brechen. Von Macciato hatte sie schon vorher gehört. Kein Schläger, keine Drogen. Reibungsloser Verkehr und Geld,
     auch an schlechten Tagen Geld. Bei Macciato waren die Mädchen krankenversichert. Der Chef ließ sich selten blicken, seine
     Leute hatten nicht sein Niveau. Einer war süchtig, einer war pervers. Einer starb an einer Überdosis, der andere geriet an
     eine Undercover-Polizistin und wanderte in den Bau.
    Dann stand Bordon an der Bar und wärmte sich nach zwei Jahren Nordmeer auf. Seit 14 Jahren hatten sie sich nicht gesehen und
     erkannten sich sofort. Monatelang hatte er seine Schwester gesucht und wollte sie sofort mitnehmen. Irena war gerührt, nicht
     überzeugt. Beim Packen stand der Wirtschafter hinter ihr. Er war neu im Amt und musste etwas beweisen. Vor einiger Zeit hatte
     er eine Prostituierte so sehr geschlagen, dass der Arzt die Polizei alarmiert hatte. Noch in derselben Nacht war sie abgereist.
    Es war nicht ausgeschlossen, dass der Wirtschafter gegen den Ex-Seemann Bordon eine Chance gehabt hätte. Doch er beging den
     Fehler, Irena ins Gesicht zu schlagen. Ein einziger |183| Schlag, er war sein Todesurteil. Ein rasender Bordon schlug ihn kurz und klein. Danach gingen sie im Haus herum und öffneten
     alle Türen. Acht Huren erhielten die Gelegenheit, ihr altes Leben hinter sich zu lassen. Drei taten es, eine wollte sich bei
     Macciato als neue Wirtschafterin bewerben.
    Die Geschwister mieden die Autobahn und hielten die Geschwindigkeiten ein. Sie wollten nicht schnell sein, sondern unauffällig.
     Im Kofferraum lag eine Leiche. Niemand würde damit rechnen, dass sie in der Nähe blieben. Sie gönnten sich zwei Tage in den
     ostdeutschen Thermenbädern. Überdimensioniert und subventioniert.
    Sie landeten in einem Etablissement, das einem Freund von Bordon gehörte. Sie unternahmen lange Spaziergänge und machten Pläne.
     Viele Pläne. Immer fehlte eins: Geld. Hier erreichte sie der Anruf von Macciato. Keine Drohung, keine Wut. Statt dessen ein
     Angebot: sichere Zukunft gegen die Zusage, ein Kaff in der Heide nach einem Schatz abzusuchen. Sie hätten alle Zeit der Welt,
     je langsamer, je lieber. Macciato wäre nicht enttäuscht, wenn sie ein Jahr brauchten. Ein einziges Mal trafen sie sich, Macciato
     gab ihnen eine überschaubare Menge Geld. Er wollte nicht riskieren, dass sie über die Stränge schlugen. Durch sie war er auf
     Frauen als Wirtschafterinnen gekommen, eine der besten Ideen seines Lebens.
    Bordon bot Irena an, sie von Macciato zu befreien. Sie dachte über den Vorschlag nach und lehnte ab.
    So kamen sie

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