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Die hölzerne Hedwig

Die hölzerne Hedwig

Titel: Die hölzerne Hedwig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: zu KLAMPEN
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sitzend. Er stand auf, sie hielten sich umarmt.
     Sie war nicht so klein, wie sie aussah, aber vielleicht fühlte er sich kleiner als heute Morgen.
    »Wird schon«, murmelte er. »Ich darf nicht so viel nachdenken. Das vertrage ich nicht. Es ist keine Angst.«
    »Ich hab’s verstanden. Es ist keine Angst. Es ist die Klarheit. Einer wie du, der sein Leben lang andere Menschen hinters
     Licht geführt hat, so einer will Klarheit. Ist es so?«
    »Sieht so aus.«
    »Hast du Humor?«
    »Wer? Ich? Klar habe ich Humor. Gehört zu meinem Job.«
    »Du hast nicht nur MS, du bist auch MS. Manfred Strelitz. Das war dein Name, bevor wir ihn umfeilen mussten. Manfred Strelitz.
     Ist nicht aufregend, aber es ist dein Name. Mach was draus.«

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    Frei trinken, frei essen; wer zu betrunken war, um hinterher nach Hause zu finden, konnte im Gasthof schlafen. Und alles gratis.
     Gegen 21 Uhr ging er von Tisch zu Tisch und sprach die Einladung aus. Die meisten waren müde und wollten ins Bett. Die anderen
     waren Teil eines Paares und durften nicht, wie sie wollten. Was übrig blieb, war ein kümmerlicher Rest. Drei Männer, fast
     noch Jugendliche, eine Frau, so angeschickert, dass Macciato ihr maximal eine halbe Stunde gab. Sie kriegte die zweite Luft
     und hielt durch, wurde lauter, aber auch lustiger.
    Gegen 22 Uhr stand er vor der Tür von Kommissarin Wiese. Als sie die Tür öffnete, sah er im Hintergrund rote, schwarze und
     weiße Kugeln auf grünem Tuch. Sie bedankte sich für die Einladung und verwies ihn an den Kollegen. Küchenmeister zog sein
     Freizeit-T-Shirt über das Bett-T-Shirt und war bereit. Um 23 Uhr war Zapfenstreich, der Wirt wollte gebeten werden, mit einem
     Geldschein in einer bestimmten Farbe. Zu diesem Zeitpunkt waren sie zu acht. Die Biere gingen runter wie Öl, Macciato holte
     alles auf den Tisch, was gut und teuer war. Die Wurlitzer hatte kürzlich ihren Geist aufgegeben, aber am Radio hingen Lautsprecher,
     mit denen man ein Kino beschallen konnte. Zwei Gäste aus dem ersten Stock beschwerten sich, Macciato spendierte ihnen Betten
     am anderen Ende des Gasthofs. Nun wurde getanzt und geknutscht, aber alles blieb im Rahmen, und die beiden, bei denen es weiterging,
     machten sich unsichtbar. Küchenmeister bekam eine Verehrerin, drall, jung und mit einem Verlobten, der zwei Plätze |215| entfernt saß und grölte: »Nach der Hochzeit hört das aber auf!«
    Sie mochte Polizisten, weil sie stark und klug zugleich waren. Das hatte sie im Dorf nicht und wollte alles wissen, vor allem
     das, was ihr einen Vorwand verschaffte, den Polizisten anzufassen.
    Küchenmeisters Talent im Aushorchen von Betrunkenen kannte jeder Kollege. Er hatte schöne Erfolge damit erzielt. Schade, dass
     er so selten dazu kam, denn legal war es nicht und kaum jemand war so dumm, in Gegenwart eines Ermittlers das Maul aufzureißen.
    Hier war das anders. Alle redeten, auch Macciato. Er trank pausenlos, ungeübte Trinker hätten auf dieses Quantum mit Vergiftungserscheinungen
     reagiert.
    So viele junge Leute aus der Region hatte Küchenmeister bisher noch nicht zu sehen gekriegt. Zwei waren sogar aus Hammerloh,
     die anderen kannten sich dort aus. Meinungsfreudig waren alle, hechelnd vor Eifer und mit einer Neigung zum heftigen Klatsch
     brachten sie Durchstechereien auf den Tisch: Schwarzbauten, Entsorgung von Fett und Schmieröl, Hundekämpfe und Wilderei, erstaunlich
     oft Wilderei. Wer nicht in den Wald ging, um das Sonntagsessen zu schießen, galt als Weichei. Die Mutproben und Initiationsriten
     hatten fast immer mit frisch geschlachteten Tieren und warmen Innereien zu tun.
    »Uns braucht vor Deutschlands Jugend nicht bange zu sein«, rief Küchenmeister und überhörte die Frage der Drallen, ob in der
     Stadt eine Wohnung frei sei und was man als Frau tun müsse, um sie zu bekommen.
    Plötzlich standen Popeye und Dora in der Gaststube. |216| Küchenmeister ging davon aus, dass sie der Polizei etwas zu berichten hatten. Aber den Eindruck vermittelten sie nicht. Eine
     erleuchtete Gaststube zu einem ungewöhnlich späten Zeitpunkt – mehr war als Grund nicht nötig, um nach dem Rechten zu sehen.
     Beide tranken Alkohol, obwohl einer von ihnen noch fahren musste. Küchenmeister erhielt einen Crashkurs in Fahrverhalten auf
     dem Land. Kein Einziger am Tisch, der nicht schon betrunken gefahren wäre, mehr als einmal und mit einem Pegel, bei dem keine
     Null mehr vor dem Komma gestanden hatte.
    Dora und Popeye tanzten.

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