Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
Eventualitäten und Tarnungen. Wenn er eine Bank um über eine Million Dollar erleichtern und mindestens fünfzig Bullen vor der Nase (okay, und knapp zehn Meterdarunter) davonspazieren konnte, dann konnte er doch bestimmt auch irgendwie …
Ach, Blödsinn.
Nein, das war verrückt. Machbar, aber verrückt.
Machbar.
Nein.
Nein.
Nein.
Schluss jetzt. Aus, vorbei. Basta.
Gut. Zu viel stand auf dem Spiel, zu viel getane Arbeit, zu viel war noch zu tun. Das war nur eine gefährliche Ablenkung, und er war froh, dass er sie im Keim erstickt hatte, bevor es gefährlich werden konnte. Aber jetzt, wo er das beschlossen hatte – was konnte es schon schaden, wenn …
Eigentumsdelikte
Angelique schlich lautlos auf den Fußballen über den Flur und blieb mit angehaltenem Atem ein paar Meter vor dem Ziel stehen. Sie war nicht gesehen worden, sonst hätte schon ein Empfangskomitee auf sie gewartet. Ihr geschultes Auge hatte den Wachposten schon von Weitem erkannt, aber sie hatte sich im Verborgenen vorgearbeitet, sodass das Überraschungsmoment auf ihrer Seite war. Andererseits hatte sie das auf dem Dach der Bank auch geglaubt.
Sie konnte die Tür sehen, aber sie musste sich erst mental vorbereiten, bevor es losging. Eine düstere, lähmende Angst lag ihr dumpf und schwer im Magen wie ein schlechter Haggis. Was hatte sie hierher geführt?, fragte sie sich zum hundertsten Mal. Die Antwort war jedes Mal dieselbe kalte, unnachgiebige Wahrheit: die Pflicht. Darunter fielen endlose Entbehrungen und Opfer, die nie erklärt oder gerechtfertigt wurden, weil sie sich hinter diesem einen Wort versteckten.
Pflicht. Alles klar. Unter allen anderen Umständen würde das hier unter Selbstverletzung fallen, und dazu hatte sie sich nie bereit erklärt.
Aber scheiß drauf, was wollte sie denn jetzt noch machen? Umkehren? Das hörte sich in der Theorie wirklich verlockend an, aber sie wusste, dass die dann erforderlichen Erklärungen noch viel schlimmer werden würden. Jetzt gab es kein Zurück mehr, das musste sie einfach hinnehmen und sich lieber aufs Überleben konzentrieren.
Sie atmete tief durch, biss sich auf die Unterlippe und klingelte.
»Angelique, ma chérie, ma petite, alles Gute zum Geburtstag!«, rief ihre Mutter, und ihre laute Stimme hallte im Flur wider, als sie Angelique herzlich an sich drückte und sie daran erinnerte, warum sie »sich das immer wieder antat«. Hier gab es einen Menschen, der sie nie enttäuschen, sie nie als selbstverständlich betrachten würde. Natürlich würde sie spätestens in zehn Minuten verzweifelt nach Fluchtwegen suchen, aber das musste bei der eigenen Familie wohl so sein.
»Dad hat dein Auto gar nicht gesehen, wir haben dich doch erwartet. Komm rein, Geburtstagskind. Schön, dich mal wieder zu sehen.«
»Dich auch, Mum.«
Sie ging hinein und fragte sich, wie lange die Frage nach den Männern am Horizont wohl diesmal auf sich warten lassen würde. In der letzten Zeit lag der Durchschnittswert bei den fünf Minuten, in denen ihre Mum Tee aufbrühte, einen Teller Kekse anrichtete und ihre Tochter fast mit Gewalt auf das neue Sofa setzte. Da dieser Tag aber einen gewissen Meilenstein darstellte, wäre ein Rekord auf beiden Seiten der Skala denkbar: der schnellste Übergang zum wichtigsten Thema aus purer Verzweiflung oder der am längsten hinausgezögerte, um es später in aller Tiefe – und Breite – eruieren zu können.
Ihr Dad kam aus der Küche, umarmte sie und gab ihr einen Kuss. Das fühlte sich jetzt mit dreißig immer noch genauso an wie mit drei. Beruhigend, sicher, heimelig. Die Zehn-Minuten-Regel wurde aber auch davon nicht außer Kraft gesetzt.
»Hier steht was für dich«, sagte Mum, und Dad rollte mit einem nachsichtigen, aber auch etwas schelmischen Grinsen die Augen. »Das musst du dir unbedingt angucken.« Auch Mum lächelte verschwörerisch, als sie sie ungeduldig in Richtung Wohnzimmer führte. Für Angelique roch das nach einem Hinterhalt, und mit so etwas kannte sie sich aus.
Sie wollte sich auf ihren Stammplatz auf dem Sofa setzen, aber ihre Mutter zeigte auf den Kamin wie ein Kleinkind, das sich vorAufregung fast in die Hose macht. Angelique bereitete sich auf den zweiten hinterhältigen Angriff an diesem Tag vor. Immerhin würde sie diesmal niemand an der Nase zerren.
Vor dem Kamin stand der kunstvollste, schönste Blumenstrauß, den Angelique sich außerhalb von Graham Nortons Garderobe vorstellen konnte.
»Die sind vorhin gebracht worden«, erklärte
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