Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
gehört, und bis Samstagabend hätte er nie gedacht, dass er mal mehr darüber erfahren würde als den Namen. Aber das war, bevor Innez die Schotten verarscht hatte, die Schotten Alessandro angerufen hatten, Alessandro sich in die Hose geschissen und Miguel angerufen hatte und Miguel Harry ins Flugzeug gesetzt hatte, damit er alles regelte. Was gab’s denn überhaupt zu regeln? Mit der großen Sache hatte das doch gar nichts zu tun – und nicht mal Innez würde sich da mit ihnen anlegen. Aber ein paar Leute waren jetzt beleidigt, und alle waren deutlich misstrauischer geworden.
»Wir brauchen ’nen Botschafter«, hatte Miguel gesagt.
»Rico und Gomez fahren doch schon zur Übergabe rüber. Können die nicht einfach ein bisschen früher fliegen?«, hatte Harry protestiert.
»Rico und Gomez sind nichts als Kuriere, und so sehen sie auch aus. Wegen Innez glauben die Escoceses jetzt, wir wollen sie verarschen oder wir nehmen sie nicht ernst. Die beiden Vögel können wir denen nicht schicken. Da brauchen wir jemand Gewichtigen, der für Ruhe sorgt und denen zeigt, dass wir sie respektieren.«
»Ich soll also da rüberfahren und denen in den Arsch kriechen?«
»Nein, ganz im Gegenteil. Du fährst da rüber und zeigst denen, dass wir es ernst meinen. Du machst denen klar, dass wir uns von niemandem was bieten lassen.«
»Ich kann Innez nicht einfach den Arsch versohlen, weil er ein böser Junge war, Mickey. Schon gar nicht, bloß weil irgendeine dritte Partei beleidigt ist. Er weiß, dass wir ihm nur mit der einen Sache drohen können, solange wir ihn noch brauchen.«
»Das wissen wir alle, Harry. Du sollst denen klarmachen, dass wir uns keine Sorgen wegen Innez machen und dass sie es deshalb auch nicht müssen.«
»Geht das nicht per Telefon? Wenn wir denen jemanden in ’ner Blitzaktion rüberschicken, sieht’s doch gerade so aus, als ob wir uns Sorgen machen, würde ich sagen.«
»Sich cool geben ist nicht dasselbe wie den Eindruck erwecken, uns wär das alles scheißegal. Du sollst denen zeigen, dasswir sauer auf Innez sind, weil er sie verarscht hat, und außerdem sollst du vor Ort noch ein paar andere Sachen regeln. Du bist unser Botschafter, Harry.«
»Ja, hört sich nach ’ner verdammten Ehre an.«
»Ist es auch. Du wolltest doch bestimmt immer schon mal nach Europa, oder?«
»Schottland ist in Europa?«
»Klar. Was dachtest du denn?«
»Keine Ahnung. Hab mir noch nie Gedanken drüber gemacht.«
»Dann wird’s jetzt höchste Zeit. Du fliegst heute Abend um sechs Uhr dreißig ab LAX .«
»Na toll.«
Bei Mickey hatte es sich nach ’nem Job angehört, für den die Leute Schlange standen, weil es dabei nach Übersee ging. Europa, na toll. Meinte Mickey, Amerigo war damals losgesegelt, weil er es da verdammt noch mal so super fand? Nie im Leben. Das war zwar in der Ersten Welt, was wohl immerhin besser als die Dritte war, aber wenn man schon die Neue Welt hatte, was wollte man dann mit der Alten? Und Schottland? Was gab’s denn da überhaupt? Männer in Röcken? Das konnte er hier auch in West Hollywood oder meinetwegen San Fran haben. Gab’s in so einem Land überhaupt Fernsehen?
Und zack, jetzt war’s so weit. Gerade hatte er noch Pläne für ein paar Tage Vegas geschmiedet, wo er vielleicht auf die Play-Offs gewettet hätte, und jetzt hatte er kaum noch Zeit zu packen, bevor er den Samstagabendflug nach London nehmen musste und Sonntag zum Abendessen ins Glasgow Hilton eincheckte. Zumindest war es vor Ort Abend, keine Ahnung wie spät es in der Zivilisation war, auf deren Zeit sein Körper noch eingestellt war. Deshalb hatte er andauernd Hunger, und ihm wurde schlecht, sobald er etwas aß, außerdem war er todmüde, aber hellwach, sobald er die Augen schloss.
Das Hotel war zum Glück ein 08/15-Standard-Hilton: Dieselbe Scheiße wie jedes andere Hilton, in dem er jemals gewesen war, was ihn aber etwas beruhigte, wenn er weit weg von zu Hausedie Orientierung verlor. Tatsächlich gab es Fernsehen, aber damit konnte er verdammt wenig anfangen. Zu Hause liefen die Play-Offs – die Play-Offs, verdammte Scheiße –, und hier bekam er sie auf keinem einzigen Kanal rein. Klick: Fußball. Klick: Fußball. Nichts als Fußball. Eine Enttäuschung, aber keine Überraschung. Das bewies nur seine Annahme, dass man umso weniger amerikanischen Sport zu sehen bekam, je weiter man sich aus der Zivilisation entfernte. Wenn die Einwanderungsbehörde die ganzen Illegalen in East LA aufspüren wollte, musste
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