Die hohe Kunst des Bankraubs: Roman (German Edition)
hinein. Keiner sagte etwas, aber sie alle lachten und drückten einander zu dritt die Hände.
Dann schlug Zal die Tür wieder zu und sah dem Wagen hinterher. Er hatte noch etwas Wichtiges in Glasgow zu erledigen, aber da Erwachsene unter eins zwanzig mit amerikanischem Akzent in der Stadt recht selten waren, musste Karl unsichtbar bleiben, bis er wieder gebraucht wurde. Sie fuhren nach Süden, nach Newcastle, wo sie für halb neun einen Tisch in einem Restaurant reserviert hatten. Außerdem hatten sie Taschen voller gefälschter, angeblich an diesem Nachmittag vor Ort ausgestellter Wettscheine von der Rennbahn in Gosforth. Gerade lud Karl sicher schon die Ergebnisse auf seinem Handy herunter, trug die endgültigen Quoten ein und warf die Scheine weg, die gewonnen hatten, weil die Buchmacher sich eher an Leute erinnerten, an die sie ausbezahlen mussten.
Jerome war auch in der Stadt geblieben, aber Zal war nicht nach feiern zumute, auch wenn es nur eine kleine, diskrete Angelegenheit geworden wäre. Er stellte sich kurz unter dem Vordach der Bücherei unter. Als der Regen ihm am Gesicht herunterlief und alle Welt geschäftig an ihm vorbeirauschte, kam es ihm vor, als hätte er den Nachmittag über nur im Kino gesessen: Jetzt war er wieder draußen in der kalten, nassen Realität und alles, was vorher passiert war, so dramatisch es auch gewesen sein mochte, war jetzt vorbei und als Erinnerung abgespeichert.
Er spürte immer noch das Kribbeln, konnte es aber nicht mehr so gut mit einzelnen Ereignissen verbinden, sondern nur noch mit dem Gesamteindruck, den der Tag hinterlassen hatte. Die Euphorie ließ langsam nach, genauso wie die Anspannung und die Angst. Mit der Zeit würden Zufriedenheit und Erleichterung an ihre Stelle treten und schließlich in Erschöpfung übergehen. Im Moment war da aber noch etwas anderes; etwas, was er gar nicht richtig bemerkt hatte, als er noch Dringenderes zu erledigen hatte. Es hatte ihn aber schon länger begleitet und sich hin und wieder zwischen den größeren aber zeitweiligen Überlegungen gezeigt.
Der Sache war nicht zu trauen. Sie war wie ein E-Mail-Anhang von einem unbekannten Absender: Er wusste nicht, wo sie herkam, was hieß, dass es schlimme Folgen haben konnte, wenn er sie nicht einfach ignorierte.
Es gab zahlreiche plausible Quellen und deren Kombinationen, die womöglich dieses Gefühl der Verwundbarkeit speisten, über das er nachgrübelte. Er erlitt gerade den unausweichlichen Crash, nachdem er fünf oder sechs Stunden unter Strom gestanden hatte. Außerdem musste er ja fast Panikattacken bekommen, wenn er daran dachte, dass er gerade eine knappe Million gestohlen hatte und jeder Bulle im Land nach ihm suchte. Dann hatte das Lied seine emotionalen Streubomben über ihm abgeworfen. Er vermisste seinen Vater, liebte ihn wieder und hasste sich, weil er ihn früher gehasst hatte, die ganze Scheiße. Dann noch diese Verbundenheit zwischen völlig Fremden, die er beim Gesang mit den Rangers-Fans gespürt hatte; verbunden durch etwas, was ihnen das Gefühl gab, dass sie zusammengehörten und ihnen die Welt gehörte.
Vielleicht lag es aber auch an nichts von alldem. Vielleicht hatte ihn auch einfach etwas kalt erwischt, während sein Kopf mit etwas anderem beschäftigt war. Er konnte sie einfach nicht vergessen. Während jeder andere Bestandteil des Überfalls verblasst war, als wäre das Ganze jemand anderem passiert, war sie ihm noch lebendig und greifbar vor Augen; es hatte ihn wirklich voll erwischt. Er wusste nicht wie, er wusste nicht warum, aber das wusste man doch nie. Klar, sie war bildschön. Okay, nach vier Jahren Entzug brauchte es nicht viel, um seine Aufmerksamkeit auf eine Frau zu lenken, aber in den letzten Wochen hatte keine seinen Blick so magnetisch angezogen, auch dann noch, als sie entwaffnet war. Zal hatte zwar keinen Kevlar-Fetisch oder Ähnliches, aber eine so grazile und hübsche Frau in voller Kampfausrüstung war schon eine Mordskombination.
Nichts von alldem wäre aber mehr als eine Wichsvorlage gewesen, wenn da nicht etwas in der Luft gelegen hätte. Er hatte den ganzen Nachmittag auf rational-analytischen Hochtouren laufen müssen, also hatte er sich doch nicht bloß eingebildet, dass sie sich ihm mehrmals fast geöffnet hatte. Sie war natürlich darauf trainiert, in solchen Situationen cool zu bleiben. Und auch wenn sie das Gegenteil behauptet hatte, war sie sicher eine geschickte Unterhändlerin. Das erklärte vielleicht schon, wie sie unter
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