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Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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Problemen zu. Sie brauchte frische Unterwäsche und eine Unterkunft. Nach Hause wollte sie auf keinen Fall. Nicht in den nächsten Tagen, nicht in den nächsten Wochen. Am liebsten überhaupt nicht mehr. Irgendwann würde sie sich allerdings ein paar Sachen holen müssen. Sie beschloss fürs Erste, in der Nähe der Klinik ein günstiges Ferienzimmer zu suchen. Doch der Anruf beim Fremdenverkehrsamt war ernüchternd: zurzeit keine freien Zimmer gemeldet – Hochsaison. Da kam ihr als rational denkender Frau ein makabrer Gedanke. Der Tote von der Wiese musste doch auch ein Zimmer gehabt haben, oder? Sie hatte im Nachtcafé ja die ganze Geschichte gehört. Wie war das, eine Frau Schön war die Vermieterin gewesen?
    Sie sah im örtlichen Telefonbuch nach, fand die Nummer der Frau und rief an. Kurz bevor sie wieder auflegen wollte, meldete sich eine mürrische Stimme mit einheimischem Dialekt. Christine stotterte zuerst ein bisschen herum, brachte aber schließlich ihr Anliegen vor. Die Stimme der Wirtin wurde kaum freundlicher, als sie hörte, worum es ging, aber als Christine erklärte, dass sie das Zimmer für einen längeren Zeitraum bräuchte, stimmte Frau Schön zu. Daran, dass die Polizei das Zimmer eventuell gesperrt haben könnte, dachte Christine erst, als sie schon wieder aufgelegt hatte. Aber das war ja letztlich auch nicht ihr Problem, sondern das der Vermieterin.
    Als Nächstes überlegte Christine, was sie einkaufen musste, um ein paar Tage ohne Visite in ihrer Exwohnung zurechtzukommen. Die Liste umfasste Waschzeug, Unterwäsche, Hosen und Blusen. Spontan fiel ihr noch etwas ein: Bergschuhe. Es war Freitag, am Wochenende würde sie sich hier in den Bergen umtun. Das würde für Ablenkung sorgen. Christine hatte eine gute Kondition, daran sollte es nicht scheitern. Auch wenn sie sich bisher eher urbanen Sportarten gewidmet hatte. Sie joggte regelmäßig, und früher hatte sie gerne getanzt – mit ihrem zukünftigen Exmann. Christine hatte zwar keine Ahnung, welchen Wanderweg sie einschlagen sollte, aber sie würde einfach einem aufwärtsführenden Weg folgen, so weit sie kam. Notfalls konnte sie ja immer den gleichen Weg wieder zurückgehen.
    Als Letztes fiel ihr noch ein, dass sie vielleicht ihren Lover von letzter Nacht anrufen sollte, um sich dezent wieder aus seinem Leben zu verabschieden. Der war allerdings übers Handy nicht zu erreichen. Und in der Polizeiwache wollte sie nicht anrufen. Nun gut, dachte sie, da er sich auch noch nicht gemeldet hat, scheint ihm die Sache ebenfalls nicht so ernst gewesen zu sein.
    Nach Dienstschluss, gegen vier Uhr nachmittags, machte Christine sich auf den Weg in den «Markt», wie die Einheimischen sagten. Schnell stellte sie fest, dass hier die Auswahl an Bergschuhen deutlich größer war als die Auswahl an Damenunterwäsche. Jedes zweite Geschäft an der Hauptstraße oder in der Fußgängerzone war ein Sport-, Bergsport- oder Bergschuhgeschäft. Die Hauptstraße hieß zwar Maximilianstraße, aber mit der Maximilianstraße in München hatte sie wenig gemein: altmodische Konditoreien, ein Bauerntheater, das mit Holzschindeln gedeckte Nationalparkmuseum und daneben eine kleine Kirche mit angeschlossenem Kloster. Und über allem thronte natürlich der Watzmann mit seiner markanten Silhouette. Links ein großer Zacken, die Watzmannfrau. In der Mitte vier kleinere Zacken, die vier sichtbaren der sieben Watzmannkinder. Und rechts der größte Zacken, König Watzmann selbst.
    Diese Silhouette war in stilisierter Form überall in Berchtesgaden zu sehen. Ja, es gab Watzmann-Pralinen. Viele Autos mit dem Ortskennzeichen BGL trugen die Form auch stolz als Aufkleber am Heck, so wie in Norddeutschland überall die Umrisse der Insel Sylt spazieren gefahren wurden. Und an der Autobahnabfahrt Piding, die Christine täglich auf ihrem Arbeitsweg benutzte, stand direkt am ersten Kreisel eine Watzmann-Silhouette aus blauen Neonröhren. Hässlich und unpassend, wie sie jedes Mal wieder fand. Nun, wenigstens den blauen Neon-Watzmann würde sie sich in den nächsten Wochen ersparen. Sie hatte auch keine Mühe, sich die Schokoladen-Spezialität zu verkneifen. Ihr war momentan überhaupt nicht nach Süßigkeiten. Sie gehörte nicht zu den Frustessern, sondern eher zu den Frustfastern.
    Da es am einfachsten war, kaufte Christine das Unwichtigste zuerst. Sie erstand ein Paar Bergstiefel von einem extrem kompetenten, braungebrannten jungen Mann, der aussah, als würde er sämtliche Sportarten

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