Die Holzhammer-Methode
Kirche und nur mit sauberen Gewändern betreten werden durfte und in dem man nicht aß, weil das zu Krümeln führen konnte. Heutzutage war diese gute Stube natürlich auch der Sitz des Fernsehers, des Gucklochs in die weite Welt, über die man sich dann live und in Farbe aufregen konnte.
In der Küche standen ein moderner Herd und ein alter Ofen, der mit Holz beheizt wurde, einträchtig nebeneinander. Plötzlich kam die Hausherrin mit einem Bund kleingehackter Holzscheite im Arm durch die Hintertür.
«Was willst du hier?», herrschte die Schön den Hauptwachtmeister an.
«Bei dir hat der tote Gleitschirmflieger gewohnt», antwortete der. Das war ja wohl Begründung genug für das Erscheinen der Ordnungsmacht.
«Ja, der lästige Hund», schimpfte sie.
«Ist dir an ihm irgendwas aufgefallen?», fragte Holzhammer und machte eine geistige Notiz, dass alles, was man sich über die Schön erzählte, immer noch stimmte. Sie war und blieb eine Zwiderwurzn, wie sie im Buche stand.
«Laut war er, genauso wie sein nichtsnutziger Freund! Und gefeiert haben sie, auf meinem Balkon, bis in die Nacht.»
Das hatte der Freund auch schon erzählt. Na und? Sie waren im Urlaub.
«Als junger Mensch wird man mal feiern dürfen», antwortete Holzhammer. Als echter Berchtesgadener konnte er seine Meinung nicht ganz verbergen. Aber er hielt sich zurück, sonst hätte er überhaupt nichts mehr erfahren. «Kann ich sein Zimmer sehen?»
Die zwei Freunde hatten getrennte Zimmer gehabt, weil der eine von beiden unerträglich schnarchte. Auch dies kolportierte die Vermieterin miesepetrig. Widerwillig führte Eleonore Schön den Polizisten in den ersten Stock zum Zimmer des Toten. Ein einfacher kleiner Raum mit nackten Wänden und Waschbecken. Die Möblierung bestand anscheinend aus Stücken, die die Hausbesitzerin vor Jahren aus ihrem eigenen Wohnbereich ausrangiert hatte. Viele trugen unübersehbar Katzenkratzspuren. Das Highlight des Zimmers war der lange Balkon, der eine schöne Bergsicht bot, zumindest wenn man sich so weit vorlehnte, dass man an dem vorgelagerten Nachbarhaus vorbeispähen konnte.
Holzhammer sah sich gründlich um, konnte aber beim besten Willen nichts Aufschlussreiches entdecken. Auch eine erste Durchsicht des Gepäcks brachte weder Abschieds- noch Drohbriefe zum Vorschein.
«Das Gepäck nehmen wir in Verwahrung, bis die Obduktion durch ist», erklärte er und machte sich daran, die Sachen in seinen Dienstwagen zu verladen.
«Dann kann ich das Zimmer ja wohl wieder vermieten», knurrte die Zierde des Fremdenverkehrs.
«Ja, in Gottes Namen», beschied ihr Holzhammer. «Wenn’s einer haben will.»
«Hab ich eh schon», antwortete sie schnippisch.
Und gerade als Holzhammer die letzte Tasche des Toten in seinem dienstlich grünsilbernen Streifenwagen verstaute, bog ein hellblauer BMW Z 4 in die Einfahrt ein. Hinter dem Steuer erkannte er die Ärztin aus dem Nachtcafé.
«Sag bloß, hier willst du wohnen?», begrüßte Holzhammer Christine.
«Es war das einzige freie Zimmer im ganzen Ort», sagte sie entschuldigend.
«Mei, du musst dich ja nicht mit der Wirtin abgeben.»
«Wieso, ist die so schlimm?», fragte Christine amüsiert.
«Sie ist eine alte Krampfhenne. Immer am granteln, gönnt anderen keinen Spaß, und dauernd zeigt sie ihre Nachbarn an. Wir müssen dann ausrücken, bloß weil da jemand Geburtstag feiert und a bissl a Gaudi hat im Garten.»
«Na ja, ich hab sowieso nicht vor, hier zu feiern, ganz im Gegenteil, ich bin froh, wenn ich meine Ruhe habe.»
«Ja, ich versteh schon, dann alles Gute. Vielleicht heute Abend bei Manu?»
«Mal sehn.» Damit schritt sie aufs Haus zu, und Holzhammer stieg in seinen Wagen und fuhr davon.
Im Auto erreichte ihn ein Anruf aus der Kreisklinik. Ein gestresster Assistenzarzt erklärte, der Tote sei weder einem Herzinfarkt noch einem Schlaganfall erlegen. Na gut, dachte Holzhammer. Aber was sagte ihm das? Eigentlich nur, dass der Tod des jungen Gleitschirmfliegers nach wie vor rätselhaft war. Wahrscheinlich doch ein Unfall. Irgendein Manöver war schiefgelaufen, er war in Panik geraten, hatte daraufhin noch einen Fehler beim Korrigieren des ersten Fehlers gemacht und dann: plauz! Holzhammer überlegte, ob er das Thema Obduktion bei seinem Chef noch mal ansprechen sollte. Wahrscheinlich nicht, die Sache war einfach gegessen. Ihm fiel ein, dass er völlig vergessen hatte, die Vermieterin nach dem Verbleib von Tobias Pfahl zu fragen, dem Freund des Toten. Eigentlich
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