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Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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mit einem ausgedehnten Informantennetz gesegnet.
    Die meisten Straftaten der mittleren Preisklasse – Diebstähle, Einbrüche, Körperverletzung
und Fahrerflucht – klärte er telefonisch. Wenn zum Beispiel auf dem Parkplatz gegenüber von
Manus Nachtcafé ein betrunkener Fahrer ein anderes Auto rammte und einfach davonfuhr, konnte derjenige sicher sein, am nächsten Tag Besuch von Holzhammer zu bekommen. Denn die Kfz-Nummer des Unfallflüchtigen lag ihm in der Regel bereits vor, ehe die entsprechende Anzeige gestellt wurde. Direkt neben dem Parkplatz wohnte nämlich im dritten Stock eines maroden Vorkriegshauses seine Großtante Steffi. Die hatte von ihrem Fenster aus einen prima Überblick. Wenn es knallte, schaute sie hinaus. Sie hatte ja sonst nichts zu tun. Und sie hatte immer ein kleines Opernglas auf dem Fensterbrett liegen, um die Fahrzeugnummer zu notieren. Das bescherte ihr eine schöne Abwechslung – und vor allem einen Grund, mal wieder ihren Großneffen anzurufen.
    Akribische Spurensuche vor Ort hingegen – womöglich noch im Freien und bei schlechtem Wetter – war des Hauptwachtmeisters Sache nicht. Aufgrund seines Körperumfangs konnte er sich schlecht bücken, kam oft kaum wieder hoch oder bekam sogar einen handfesten Hexenschuss. Dafür war er einsame Spitze, wenn es darum ging, den Hergang von Wirtshausschlägereien oder sonstigen Massenkarambolagen zu klären. Immer war ein Verwandter, ein ehemaliger Fußballfreund oder sonstiger Bekannter daran beteiligt, der gegen einige Bier die Sache bereitwillig und ausführlich schilderte, solange er die Zusicherung erhielt, selbst mit einem blauen Auge davonzukommen. So funktionierte Zeugenschutz à la Holzhammer, und so machte sich der Hauptwachtmeister für jeden Vorgesetzten unverzichtbar.
    Bei Bedarf konnte er jedoch auch den Dorftrottel spielen. So hatte Dr. Fischer zum Beispiel keine Ahnung davon, dass sein Untergebener sich relativ gut mit dem Computer auskannte. Während Holzhammer nämlich in der Dienststelle das Gerät kaum anrührte, hatte er zu Hause alles per WLAN vernetzt. Er spielte im Bett Online-Schach, wenn seine Frau schon lange schlief, und am Wochenende schaute er über obskure asiatische Websites die Fußballspiele, die offiziell nur im Bezahlfernsehen liefen. Er bestellte alle möglichen Dinge für Haus und Garten im Internet und hatte auch schon Sachen über eBay verkauft. In der Dienststelle aber stellte er sich unwissend, selbst wenn es nur darum ging, einen einfachen Bericht zu tippen. Insgesamt war Holzhammer ein erfolgreicher und zufriedener Polizist. Seine Aufklärungsquote lag weit über dem Durchschnitt, und ohne ihn wäre Fischer ziemlich aufgeschmissen gewesen. Kein Einheimischer hätte jemals einen Hiesigen bei einem Preußen aus München angeschwärzt.
    Als Dr. Fischer endlich in die Dienststube gerauscht kam, wirkte er gleichzeitig aufgekratzt und übernächtigt. Sofort übergab Holzhammer ihm die Presseanfragen und die Telefonnummern der diversen Journalisten. Fischer war angetan. Dem Leiter der Dienststelle lag der Umgang mit der Presse nun mal besser als die eigentliche Polizeiarbeit. Außerdem wusste er, dass Holzhammer, einmal auf Trab, sämtliche fürs Protokoll benötigten Details wesentlich schneller und mit weniger Mühe erledigen würde als er selbst. Schade nur, dass sie es hier aller Wahrscheinlichkeit nach mit einem Unfall zu tun hatten. Ein Mord wäre deutlich prestigeträchtiger und öffentlichkeitswirksamer gewesen.
    «Sind die Angehörigen verständigt?», fragte Fischer.
    «Ich dachte, das willst du lieber machen», antwortete Holzhammer.
    Als Fischer hier angefangen hatte, war er im ersten Augenblick sehr irritiert gewesen, dass sein Untergebener ihn so ohne weiteres duzte. So irritiert, dass er zunächst nichts gesagt hatte. Doch schon bei seinem Antrittsbesuch beim Bürgermeister am gleichen Tag hatte er mitbekommen, dass sich hier praktisch alle duzten. Es war, als wären alle im Tal eine große Familie. Und böse Zungen behaupteten, dass das letztlich ja auch stimmte. Aber Inzucht hin oder her: Wer hier wohnte und bayerisch sprach, wurde geduzt. Wer Tourist war oder hochdeutsch sprach, wurde gesiezt. Auch extreme Ablehnung wurde durch Siezen zum Ausdruck gebracht. Oder durch Grüßen mit «Hallo», was so viel bedeutete wie: «Ich hab erkannt, dass du ein Saupreiß bist. Also leck mich am Arsch.» Insofern konnte Fischer eigentlich heilfroh sein, dass Holzhammer ihn duzte.
    «Die Angehörigen

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