Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
Vom Netzwerk:
das Möbelrücken im Wohnzimmer noch vergleichsweise harmlos. Denn natürlich blieb auch sein Arbeitsplatz nicht von seinen Geistesblitzen verschont – was seinen Mitarbeitern oft auf die Nerven ging. Andererseits wussten sie, dass oft etwas Gutes dabei herauskam. Und sie konnten jederzeit mit ihren Problemen zu ihm kommen, er war immer geduldig. Deshalb sahen sie es ihm nach, wenn mal wieder von einem Tag auf den anderen die Arbeitsanweisungen geändert wurden, nur um eine Woche später schon wieder optimiert zu werden.
    «Verstehe, eine Kettenreaktion», sagte Christine.
    «Möchtest du einen Tee?», fragte Matthias. «Oder lieber Kaffee?»
    «Was ist denn buddhistischer?», fragte Christine augenzwinkernd.
    «Wir haben keine Speisevorschriften. Und ich trinke einen Kaffee.»
    Christine schloss sich ihm an, und als die beiden Tassen samt Milch und Zucker auf dem Wohnzimmertisch standen, fragte Matthias etwas unvermittelt: «Und – wie kommst du inzwischen mit deiner Vermieterin zurecht?»
    Christine erzählte ihm, wie sie über die Katzen einen Zugang zu der Frau gefunden hatte. «Ich glaube, sie ist sehr verbittert. Hast du eine Ahnung, woran das liegen könnte?»
    «Nein, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie aus gutem Hause stammt. Aber ihre Verwandten sind wohl alle tot. Zuletzt ist dann ihr Mann gestorben. Ich weiß auch gar nicht, warum sie vermietet. Sie dürfte es eigentlich nicht nötig haben. Wahrscheinlich nur, um ihre Gäste zu ärgern.»
    «Na ja, ganz so schlimm ist sie ja auch nicht.»
    «Sagst du. Aber ich frag mich schon lange, wie man bei der Alten seine Ferien verbringen kann. Die meisten Gäste bleiben nur ein paar Tage. Und ich habe noch nicht erlebt, dass jemand zweimal gekommen ist. Früher hat sie auch dauernd die Polizei gerufen, wenn wir Nachbarn mal ein bisschen gefeiert haben.»
    «Früher? Vielleicht hat sie sich ja schon ein bisschen verändert.»
    «Nein, sie hat bloß aufgegeben, weil die Polizisten immer unwilliger kamen und schließlich lieber an den Feiern teilnahmen, anstatt sie zu beenden. Hier muss man den Sommer nutzen, solange er dauert.»
    Christine wurde ein wenig unbehaglich zumute. Sie hatte genug über ihre Vermieterin gehört – schließlich musste sie ja noch eine Zeitlang mit der Frau unter einem Dach wohnen. Zum Glück fiel ihr ein, dass Matthias ihr noch eine Story schuldig war. «Sag mal, du wolltest mir doch noch von diesem Faschingsumzug erzählen, bei dem einer als Hitler verkleidet war.»
    Matthias schaute sie ob des abrupten Themenwechsels zuerst etwas überrascht an, aber er tat ihr den Gefallen. «Na gut», sagte er. «Die Sache ist schon einige Zeit her. Damals wurden Faschingsumzüge noch nicht monatelang im Voraus geplant, sondern die Ideen entstanden von einer Woche auf die andere. Da saßen also einmal Anfang Februar einige Bauern im Gasthof zusammen und plötzlich kam die Idee auf, so einen Umzug auf die Beine zu stellen. Jeder wollte etwas beisteuern. ‹Mei Wogn könnt’s ihr hobn›, sagte der eine. ‹Mei Unimog a›, der nächste.
    Dann saß noch einer dabei, ein seltsamer Kauz, der meistens den Mund hielt. Aber wenn er sprach, dann mit einer Stimme, die – nun ja – an einen gewissen Österreicher erinnerte. Und so entstand die Idee, genau diesen Kauz als Adolf Hitler zu verkleiden. Man rasierte ihm seinen Schnäuzer zum Hitlerbärtchen zurecht, der Metzger holte einen uralten Anzug vom Speicher, der dem Protagonisten viel zu klein war, und der Sohn des Kolonialwarenhändlers schrieb ihm eine Rede. So stand dann am Rosenmontag Adolf Hitler mit circa drei Promille im Blut auf der hochgefahrenen Ladeplattform des Unimogs und fuhr an der Spitze des Faschingszugs mit erhobenem Arm durch den Ort. ‹Wollt ihr das totale Freibier?›, rief er mit getragener Stimme in die Runde. Und: ‹Ab fünf Uhr fünfundvierzig wird zurückgesoffen!›
    Einige Urlauber taten zuerst ganz schockiert, mussten dann aber so lachen, dass ihre Kritik nicht so richtig rüberkam. Der Umzug endete dann an einem großen Gasthof mit ziemlich viel Alkohol. Alle hatten sich köstlich amüsiert. Nur eine alte Frau, ein Feriengast, kam nach dem Umzug auf den glorreichen Hauptdarsteller zu, um sich über die Pietätlosigkeit zu beschweren. Sie war Jüdin. Unser Adolf kapierte in seinem Suff natürlich gar nicht, worum es ging, und wollte immer nur mit ihr anstoßen. Genau damit hat er sie dann wohl von seiner Harmlosigkeit überzeugt. Auf jeden Fall sah man kurze Zeit

Weitere Kostenlose Bücher