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Die Holzhammer-Methode

Die Holzhammer-Methode

Titel: Die Holzhammer-Methode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredrika Gers
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Untergebenen ab: «Gute Arbeit. Dann besorg mal so schnell wie möglich den Polizeizeichner.»
    Der Hauptwachtmeister rief in München an, musste sich aber erst mal durchfragen. Denn schließlich war der Anruf für Holzhammer eine Premiere. Normalerweise kannte er seine Verdächtigen, beziehungsweise die Zeugen kannten sie. Als er den Zeichner endlich an der Strippe hatte, stellte sich heraus, dass es sich um eine Zeichnerin handelte. Und die war nicht sonderlich begeistert von der Aussicht, in die tiefste Provinz fahren zu müssen.
    «Wie lange brauche ich denn um Gottes willen von München Zentrum bis zu Ihnen?»
    «Mit Blaulicht hundertzwanzig Minuten, ohne Blaulicht zwei Stunden», antwortete Holzhammer trocken. «Fahren Sie Autobahn bis zur letzten Ausfahrt vor der Grenze und dann immer Richtung Berge. Nach einer halben Stunde kommen Sie dann kurz nach dem Ortsschild Berchtesgaden direkt an der Polizeiwache vorbei. Und wenn nicht, rufen Sie an. Dann schicken wir eine Streife, die Sie einsammelt.»
    «Ist gut, dann bin ich morgen so gegen zehn Uhr da», antwortete die Zeichnerin.
    «Abgemacht, dann bis morgen. Servus.»
    Anschließend rief Holzhammer die beobachtungsstarke Andenkenverkäuferin Beate an und bestellte sie für den nächsten Morgen ebenfalls aufs Revier.
    «Da muss ich ja meinen Laden schließen, wie schaut es denn da mit Verdienstausfall aus?», war die erste Frage.

    Die Frau hatte im Radio gehört, dass die Polizei dazu aufrief, Gläser mit Murmeltier-Aufstrich in den Dienststellen abzugeben. Und sie ahnte, was die Sammelaktion hervorbringen würde – zwei weitere Souvenirs, die das Gift des blauen Eisenhuts in sich trugen. In den Gärten im Tal war die Pflanze bereits verblüht, doch oben auf den feuchten und nährstoffreichen Almen leuchtete das tiefe Blau noch bis in den Herbst hinein, besonders dort, wo die Sonne durch Felswände oder Bäume weitgehend abgeschirmt wurde.
    Sie saß auf einer wackligen Bank aus dünnen Holzstämmen hoch über dem Tal. Von hier konnte sie den Anfang der gewaltigen Schuttströme sehen, die sich kilometerweit ins Gries ergossen. Geformt wie Flussläufe, doch die meiste Zeit trockener als ihr Steingarten, schlossen sie sich nach und nach zu einem breiten Strom zusammen, der schnurgerade zwischen zwei mächtigen Gebirgsstöcken ins Tal floss. Alle Bäche, die in das Gries mündeten, versickerten umgehend im tiefen Kiesbett. Erst kurz vor dem Ort
kam das Wasser wieder an die Oberfläche und schlug sich durch eine malerische Klamm.
    Von hier oben konnte sie auch das Gasthaus sehen, das mitten im Gries stand. Viele Touristen liefen bis dorthin oder noch ein Stückchen weiter. Hier herauf kam jedoch kaum jemand. Es gab keinen bezeichneten Weg, der Pfad, den sie genommen hatte, war in keiner Karte zu finden. Hierher kam sie, wenn die düsteren Gedanken an ihre Kindheit ihr unten im Tal mal wieder keine Ruhe ließen. Von hier oben sah sie auf die verhassten Menschen hinab. Bald würden die Touristen da unten wissen, dass sie hier nicht willkommen waren. Und die Einheimischen könnten ihre Pensionen und Gastwirtschaften und Seilbahnen zusperren. Dann wäre alles zerstört, was ihr Vater auf ihre Kosten aufgebaut hatte. Und sie hätte die Natur für sich allein.
    An der gegenüberliegenden Felswand sah sie einen Adler kreisen. Ohne seine Schwingen zu bewegen, ließ er sich vom warmen Aufwind hinauftragen, um auf der Hochfläche nach Murmeltieren und Raufußhühnern zu jagen. In Gedanken versunken, drehte die Frau den Ring an ihrem Finger.

    Für Christine war es fast schon selbstverständlich geworden, sich nach der Arbeit mit Matthias zu treffen. Schon allein, weil es angenehmer war, bei ihm zu Abend zu essen, als auf ihrem Ferienzimmer, wo es weder Geschirr noch Besteck gab. Da sie das letzte Mal bemerkt hatte, dass sein Kühlschrank nicht gerade gut gefüllt war, hatte sie auf dem Heimweg aus der Klinik eingekauft – Brot, Aufschnitt, Obst.
    Auf dem Weg durch den Garten, hinüber zu Matthias, bemerkte sie, dass eine der Katzen auf dem Rasen mit einem toten Tier spielte. Es sah aus wie ein Frosch. Als Christine näher kam, ließ der Taschentiger sein Spielzeug liegen und zog sich zurück. Christine sah, dass es tatsächlich ein großer Frosch war. Er lag auf dem Rücken, und der Bauch klaffte – wie mit dem Messer aufgeschnitten – auseinander. Das konnte unmöglich die Katze gewesen sein, dachte sie. Aber wer dann, die Nachbarskinder? Na ja, vielleicht hatten sie

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