Die Homoeopathie-Luege
reagieren offensichtlich auf medizinische »Rituale«, deren Bedeutung wir verinnerlicht haben und denen wir eine heilsame Wirkung unterstellen. Schon eine Pille ist nicht einfach eine Pille, sondern wir wissen oder ahnen, dass sie etwas enthält, das sich in unserem Körper bemerkbar machen wird. Das Verschreiben von Tabletten auf dem typischen Arztrezept, mit dem man sodann in die Apotheke zieht, wo Pharmazeuten (auch im weiÃen Kittel) riesige Schubladen mit Arzneipackungen aufziehen, um das richtige Mittel herauszusuchen, ist ein zutiefst ritualisiertes Vorgehen, von dem wir uns Besserung erhoffen.
Auch eine Akupunktur wird nicht einfach als Piks in die Haut verstanden, sondern als eine mit Bedeutung und Sinn aufgeladene Prozedur, die den Zweck hat, gesund zu machen. In der erwähnten Studie reichte die Kombination aus Akupunkturritual plus einfühlsamem Arzt übrigens durchaus an die Wirksamkeit »echter« Reizdarmmedikamente heran.
Man weià sogar aus Studien, dass nicht alle Placebos gleichermaÃen wirken: Schmecken sie nach bitterer Medizin, haben sie besonders groÃen Effekt. Schillernde Kapseln sind potenter als einfache Tabletten. Vier wirkstofffreie Pillen am Tag bekämpfen Magen-Darm-Geschwüre erfolgreicher als zwei. Rosafarbene Placebos steigern die Konzentration besser als blaue. Als teuer angepriesene angebliche Schmerzmittel lindern körperliche Pein effektiver als Billig-Placebos. Schmerzhafte Spritzen sind Tabletten überlegen. Die Infusion einer wirkungslosen Kochsalzlösung, die Probanden als wirksames Schmerzmittel verkauft und ihnen vor ihren Augen gespritzt wurde, erwies sich als ähnlich wirksam wie sechs bis acht Milligramm Morphin, von dessen Injektion die Patienten nichts mitbekamen.
Besonders groà scheint die Macht der Operation als Königin unter den Arztritualen zu sein: Wenn ein Patient schon vorher fasten muss, in der Klinik aus seiner Alltagskleidung in ein spezielles Hemd schlüpft und dann in den Operationssaal geschoben wird, wo sich bereits ein ganzes Team vermummter Ãrzte und Schwestern um den Tisch versammelt hat, nimmt der Ritus schon fast religiöse Züge an. Für Patienten mit Kniearthrose konnte vor einigen Jahren gezeigt werden, dass Placebo-OPs mit groÃem Zinnober praktisch genauso gute Ergebnisse zeigten wie das volle Programm einer Kniespiegelung mit Gelenkspülung oder mechanischer Glättung des Knorpels. Den zum Schein Operierten wurde nur oberflächlich die Haut am Knie aufgeschnitten â allerdings unter aufwendigem Herumhantieren mit medizinischem Gerät. Noch nach zwei Jahren berichteten die Placebo-Probanden über bessere Beweglichkeit und weniger Schmerzen â so wie die tatsächlich am Knie Operierten.
Die Macht der Psyche
Bessern sich Krankheitssymptome durch Placebo-Rituale, führen Wissenschaftler das neben dem wohltuenden Einfluss eines empathischen Arztes vor allem auf zwei psychologische Phänomene zurück.
Zum einen kann eine solche Besserung das Ergebnis der Erwartungen an den Arztbesuch oder eine bestimmte Therapie sein. Dabei gehen Wissenschaftler davon aus, dass höhere Erwartungen meist auch verbunden sind mit gröÃeren Effekten auf die Besserung eines Leidens. Allerdings mit der Einschränkung, dass sich Placebo-Mechanismen häufig der bewussten Wahrnehmung entziehen. Man kann sich zwar bewusst machen, ob man groÃe oder auch gar keine Hoffnungen gegenüber einer Therapie hegt. Der Placebo-Effekt kann sich aber trotzdem ganz anders zeigen als gedacht, wenn das Unterbewusstsein das Ruder übernimmt. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang ein Phänomen, das vor wenigen Jahren wissenschaftlich untersucht wurde: der Placebo-Effekt des aufgeklärten Kranken. Im Jahr 2010 sorgte die Veröffentlichung einer US-Studie an 80 Reizdarmpatienten für Furore unter Ãrzten. Bis dato war man weitgehend davon ausgegangen, dass Placebos nur wirken, wenn sie Probanden als »echte« Medikamente verkauft werden. Doch in dieser Untersuchung wurden die Placebo-Schlucker zuvor vom Arzt darüber aufgeklärt, dass sie wirkstofffreie Mittel bekommen sollten â allerdings mit dem wichtigen Zusatz, dass solche Pillen in Studien schon anderen Reizdarmpatienten geholfen hatten, weil sie deren Selbstheilungskräfte aktivierten. Nach dem Gespräch erhielten die Patienten ein Fläschchen mit bunten Kapseln, auf dessen Etikett
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