Die Homoeopathie-Luege
deutlich »Placebo-Pillen« stand und »Nehmen Sie zwei Pillen zweimal am Tag«. Drei Wochen später ging es den informierten Placebo-Probanden im Schnitt deutlich besser als den Mitgliedern einer zweiten Gruppe, die keine Pillen bekommen hatte. Die Wissenschaftler schrieben das unter anderem den positiven Erwartungen zu â obwohl die Kranken wussten, dass sie von den Pillen keinen pharmakologischen Effekt erwarten durften.
Zum anderen sind Placebo-Phänomene das Ergebnis von Lernprozessen. Auch hier heiÃt Lernen nicht, dass wir uns bewusst »merken« würden, dass eine Behandlung oder ein bestimmtes medizinisches Ritual uns Linderung verschafft. Wir reagieren eher unbewusst wie der Pawlowâsche Hund, der beim Klingeln einer Glocke zu fressen bekam und derart auf die Verbindung von Geräusch und Fressen konditioniert war, dass er schon beim bloÃen Klingeln anfing zu sabbern. Die von Homöopathie-Anhängern immer wieder vorgebrachte Behauptung, Homöopathie-Effekte bei Tieren seien ein Beleg für eine Wirksamkeit, weil es bei Tieren keinen Placebo-Effekt gebe, ist nicht zuletzt deshalb absurd, weil der Pawlowâsche Hund das prominente Beispiel für eine klassische Konditionierung und damit für einen der wichtigsten Placebo-Mechanismen darstellt. Mäuse und Ratten benutzt man gerade wegen ihrer Placebo-Fähigkeit als Modelle für neurobiologische Aspekte menschlicher Placebo-Effekte. Und auch wer schon einmal versucht hat, seine Hauskatze in den Tragekorb zu stopfen, in dem sie schon dreimal zum Tierarzt getragen wurde und eine Spritze verpasst bekam, der ahnt, welche Assoziation sich im Kopf der Mieze verfestigt hat. Auch bei kleinen Kindern wurden schon Placebo-Phänomene beobachtet. Kinder mit Epilepsie reagieren dabei möglicherweise sogar stärker als erwachsene Patienten.
Unsere Glocke im Pawlowâschen Sinne ist das medizinische Ritual, etwa das Verabreichen einer Pille oder das Setzen einer Spritze â alles, was wir gelernt haben, mit baldiger Besserung zu verbinden. Unser »Sabbern« ist die tatsächliche Besserung unserer Symptome, selbst wenn uns beim Ritual nichts Wirksames verabreicht wurde. Wissenschaftler erklären so zum Beispiel die Wirksamkeit von Placebo-Effekten bei Schmerzen: Bei manchen Patienten genügt schon der Anblick einer Spritze, die angeblich ein Schmerzmittel enthält, damit die Beschwerden nachlassen. Andere reagieren erst auf den Piks der Injektion, wieder andere auf die Umgebung der Arztpraxis. Auch Depressionen oder Symptome der Parkinson-Krankheit lassen sich mit Placebo-Prozeduren lindern. Sogar die Aktivität der Immunzellen in unserem Blut lässt sich durch Scheinmedikamente dämpfen: Verabreicht man Probanden immer wieder einen markant schmeckenden Drink zusammen mit einem das Immunsystem unterdrückenden Medikament, dessen Wirkung nicht zu spüren ist, kann man irgendwann die Arznei weglassen. Dann reicht allein der Geschmack des Getränks, um die Immunzellen weiter auf Sparflamme zu halten. Forscher vermuten, dass eine solche »erlernte« Unterdrückung von Immunreaktionen Placebo-Effekte bei Allergikern erklären könnte.
Und interessanterweise scheint es sogar möglich zu sein, sich Placebo-Effekte â vereinfacht gesagt â von anderen abzugucken: Wenn jemand beobachtet, dass eine Prozedur bei einem anderen wirkt (selbst wenn der das nur simuliert), ist die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sie später auch beim Zuschauer anschlägt. »Soziales Lernen« nennen Psychologen dieses Phänomen.
Das Gehirn als biologische Hausapotheke
Zu den Meilensteinen der jüngeren Placebo-Forschung gehören Erkenntnisse darüber, wo in unserem Nervensystem Placebo-Effekte Stoffwechselveränderungen anschieben, die sich beobachten und messen lassen. Bildgebende Verfahren wie die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) haben viel dazu beigetragen, die neurobiologischen Mechanismen von Placebo-Effekten zu erhellen. Inzwischen weià man: Unser Gehirn verteilt wie eine biologische Apotheke körpereigene Medikamente im Organismus. Und zu verschiedenen Leiden gehören offensichtlich sogar verschiedene Placebo-Mechanismen.
So dämpft der Glaube an die schmerzlindernde Wirkung eines Scheinmedikaments zum Beispiel die Aktivität im Thalamus. Diese walnussförmige Doppelstruktur tief im Gehirn agiert als eine Art »Pförtner« und leitet Schmerz und
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