Die Homoeopathie-Luege
untersucht werden können, deren Untersuchung aber von vorneherein sinnlos ist, weil sie Naturgesetzen widersprechen, möchten wir den Begriff »nicht scientabel« vorschlagen. Zwar kann man nicht definitiv ausschlieÃen, dass auch Naturgesetze an neue Erkenntnisse angepasst werden müssen, aber man kann definitiv ausschlieÃen, dass die Methoden der evidenzbasierten Medizin die Macht haben, Naturgesetze zu widerlegen oder zu bestätigen. »Scientabilität« ist demnach die Eigenschaft einer Theorie, über die wissenschaftliche Untersuchbarkeit hinaus auch im Rahmen bestehender Naturgesetze denkbar zu sein. Wir schlagen für die Medizin vor, dass grundsätzlich im Vorfeld einer klinischen Studie die Scientabilität geprüft werden sollte. Ist ein Verfahren so absurd, dass es nicht als scientabel durchgeht, soll es keine klinische Untersuchung geben. Damit wird sichergestellt, dass positive Ergebnisse, die lediglich auf Mängeln im Studiendesign, auf Unachtsamkeiten bei der Durchführung oder schlicht auf Zufall beruhen, nicht missbraucht werden können. Harriet Hall verwendet dafür, sozusagen als Erweiterung der evidenzbasierten Medizin, den Begriff »wissenschaftsbasierte Medizin« oder »science-based medicine« (www.sciencebasedmedicine.org).
Auch wenn die Homöopathie nicht hinsichtlich ihrer Wirksamkeit untersucht werden soll, bietet sie trotzdem eine Fülle interessanter Themen. So lassen sich an ihr spannende psychologische Fragen studieren: Wie kann es etwa sein, dass eine so irrationale Heilslehre auch Menschen überzeugt, die sich als »rational« einschätzen? Wieso hat die Homöopathie so viele Anhänger in besonders gebildeten Schichten? Wie meistert ein Arzt den geistigen Spagat, wenn er gleichzeitig die rationale wissenschaftsbasierte Medizin und die irrationale Homöopathie anbietet, womöglich demselben Patienten? Auch der evidenzbasierten Medizin verspricht die Homöopathie-Forschung interessante Erkenntnisse: Positive Ergebnisse weisen auf Fehler der Methodik hin, in etwa so wie der Wassertest bei einem Fahrradschlauch: Wo Blasen aufsteigen, ist das Loch. Diese Fehler zu erkennen könnte die EbM voranbringen.
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Schamanen in WeiÃ:
Kügelchen gehören zum Alltag
in der Arztpraxis
Als er das abgegriffene Bändchen in hellbraunem Leinen in die Hand bekam, dachte er zuerst an einen Scherz: Einen Leitfaden für die homöopathische Praxis von 1936 schenkte ihm eine Schulfreundin zum Abitur, eine alphabetische Liste aller möglichen Leiden samt Empfehlungen, wie diese homöopathisch zu behandeln seien. So ein Buch könne er ja jetzt gut gebrauchen, sagte die Freundin zum Abiturienten und angehenden Medizinstudenten Curt Kösters. Der wusste damals noch wenig anzufangen mit Hahnemanns Lehre von der verstimmten Lebenskraft. »Ich hatte Biologie und Chemie als Leistungskurs im Abi, und mich hat auch bei der Medizin eher die naturwissenschaftliche Seite interessiert«, erinnert sich Kösters.
Doch gerade diese Seite ernüchterte ihn an der Uni sehr bald. Er stieà sich an der Pharmagläubigkeit seiner Professoren: »Ich habe Ende der 70er-Jahre angefangen zu studieren. Damals war man auch unter Medizinstudenten durchaus medizinkritisch. Und die Idee, man könne alles heilen, indem man die passende Chemikalie draufwirft, erschien uns zu kurz gedacht.« Problematisch fand Kösters auch das Schubladendenken in der konventionellen Heilkunde: »Man sieht einen Patienten und sortiert sein Leiden gleich in ein Schema ein. Ich glaube aber, dass ganz verschiedene Symptome durchaus miteinander zusammenhängen. Wenn ein Arzt seinem Patienten zum Beispiel sagt, Ihr Hautausschlag und Ihre Rippenfellentzündung haben gar nichts miteinander zu tun, dann finde ich das ehrlich gesagt kühn.« Kösters begann sich mit Therapieverfahren zu beschäftigen, die Zusammenhänge zwischen einzelnen Symptomen herstellen.
Er besuchte Seminare über alternative Heilverfahren, hörte Vorträge über traditionelle chinesische Medizin, Pflanzenheilkunde und Homöopathie. In der Lehre nach Hahnemann fand er schlieÃlich für sich den systemischen Ansatz, den er suchte â auch wenn er anfangs skeptisch war gegenüber Ãhnlichkeitsprinzip und hoch verdünnten Arzneien: »Ich dachte mir, das ist entweder total verrückt oder total spannend.«
Der Student Curt Kösters fing an, im
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