Die Homoeopathie-Luege
Placebo-Effekt nutzen« (Basis: 440 Ãrzte, August 2010).
Die Gebührenordnung für Ãrzte (GOÃ) bietet niedergelassenen Medizinern attraktive Möglichkeiten, der Nachfrage der Patienten zur Zufriedenheit beider Seiten nachzukommen. Sie regelt, wie viel Ãrzte für diverse Gespräche, Untersuchungen und Behandlungen von solchen Patienten nehmen dürfen, die entweder privat versichert sind oder ihre Rechnung komplett aus eigener Tasche bezahlen. Speziell für homöopathisch tätige Mediziner enthält die GOà schon seit Längerem die Ziffern 30 und 31. Nach Ziffer 30 dürfen sie für eine homöopathische Erstanamnese mit einer Mindestdauer von einer Stunde mindestens 52,46 Euro abrechnen. Oft multiplizieren homöopathische Ãrzte den Betrag noch mit einem Aufwertungsfaktor von 2,3, gelegentlich auch mit 3,5 für besonders hohen Aufwand. Dann werden 120,65 bis 183,60 Euro fällig. Ziffer 31 regelt die Gebühr für homöopathische Folgeanamnesen mit einer Mindestdauer von 30 Minuten. Dafür dürfen die Ãrzte dreimal im Halbjahr 26,23 Euro oder â aufmultipliziert â 60,33 oder 91,80 Euro liquidieren.
Obwohl längst nachgewiesen ist, dass der Erfolg einer Therapie wesentlich von der Beziehung und den Gesprächen zwischen Arzt und Patient beeinflusst wird, können selbst Privatärzte von solchen Sätzen für ein Patientengespräch nur träumen: 8,74 Euro gesteht ihnen die Gebührenordnung für eine »eingehende« Beratung von mindestens zehn Minuten zu, multipliziert mit den entsprechenden Faktoren wären das dann 20,11 oder höchstens 30,60 Euro â abzurechnen nur einmal pro Behandlungsfall.
Damit ist die Homöopathie in dieser Hinsicht im Gesundheitssystem deutlich bessergestellt als die herkömmliche Medizin â und somit attraktiv für alle Ãrzte, denen daran liegt, ihre Patienten nicht nur zwischen Tür und Angel zu sprechen.
Eine starke Lobby für die Homöopathie
Schon zu Samuel Hahnemanns Zeiten begannen sich homöopathische Ãrzte zu organisieren. Wahrscheinlich hatten seine Schüler den »Meister« vorher eingeweiht. Aber man wüsste doch gern, was im Jahr 1829 in seinem Kopf vorging, als man ausgerechnet die Feier seines 50. Doktorjubiläums zum Anlass nahm, im anhaltinischen Köthen einen Ãrzteverein zu gründen. Möglicherweise lieà er es grummelnd geschehen. Zu Hahnemanns Leben gehörte die ständige Sorge, dass ihm andere Ãrzte oder auch Ãrzteorganisationen in seine Lehre »dreinschwatzen« könnten. Einige Jahre zuvor stand er jedenfalls ärztlichen Standesvertretungen noch entschieden skeptisch gegenüber. Seine rhetorische Frage »Wozu überhaupt Vereine, was können sie auch im besten Fall Gutes ausrichten?« ist aus einem seiner Briefe überliefert (zitiert nach Robert Jütte in Martin Dinges: Weltgeschichte der Homöopathie , C.H.Beck, 1996).
Ob er nun grummelte oder nicht: Im Jahr 1829 wurde der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ãrzte (DZVhÃ) gegründet und Hahnemann zu seinem Ehrenpräsidenten ernannt. Man könnte es als die Geburtsstunde der Homöopathie-Lobby im deutschsprachigen Raum bezeichnen.
So ehrenwert die Motive vieler Ãrzte sein mögen, sich von der konventionellen Medizin ab- und der Homöopathie zuzuwenden: Wenn es um Lobbyarbeit, um die Verankerung und den Ausbau der eigenen Heilkunde im Gesundheitssystem geht, agiert man auch im Globuli-Lager schon lange professionell und beharrlich. Der 1829 gegründete Deutsche Zentralverein homöopathischer Ãrzte hat seine Geschäftsstelle in Bonn und seine Pressestelle in Berlin. Als älteste Ãrztevereinigung in Deutschland vertritt er die Interessen von Medizinern in der Nachfolge Hahnemanns.
Im Herbst 2011 hatte er etwa 4000 Mitglieder, darunter circa 2100 AllgemeinaÌrzte, 300 Kinder- und JugendaÌrzte, 190 Internisten und 150 FrauenaÌrzte, auÃerdem ZahnaÌrzte, Hals-Nasen-Ohren-AÌrzte, Neurologen, Psychiater und Hautärzte. Damit gehört der Zentralverein eher zu den kleineren Ãrztevereinigungen, hat aber durchaus ähnlich viele Mitglieder wie etwa die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin.
Der Zentralverein zählt es zu seinen wichtigsten Lobbyaufgaben, die Homöopathie zu verbreiten, ihre Stellung im Gesundheitswesen zu festigen und sie an den Hochschulen zu
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