Die Homoeopathie-Luege
interpretieren lässt.
Einer der rührigsten Akteure auf diesem Gebiet ist die Karl und Veronica Carstens-Stiftung, die von dem ehemaligen Bundespräsidenten und seiner Ehefrau, einer Ãrztin für Naturheilkunde, ins Leben gerufen wurde. Die Stiftung, die bislang über einen Gesamtetat von circa 30 Millionen Euro verfügte, baut ihren Einflussbereich an den Universitäten auf vielen Ebenen aus. An der Basis unterstützt sie Studierende: Sie fördert »studentische Arbeitskreise«, die es inzwischen laut DZVhÃ-Jahresprogramm an jeder dritten Universität gibt, sie gibt finanzielle und logistische Hilfe beim sogenannten Wilseder Forum, einem zweimal im Jahr stattfindenden Homöopathie-Camp, und sie sponsert Doktorarbeiten. Auf administrativer Ebene unterstützt sie Universitäten, die das Wahlpflichtfach »Homöopathie« anbieten, und sie vermittelt Lehrbeauftragte.
Auch auf der höchsten akademischen Ebene wird die Carstens-Stiftung aktiv: Am Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Berliner Universitätsklinik Charité finanziert sie mit einer Million Euro über fünf Jahre eine Professur für Komplementärmedizin/Integrative Medizin: »Ziel ist die wissenschaftliche Untermauerung der Komplementärmedizin und langfristige Sicherung ihrer Therapieverfahren«, heiÃt es dazu in einer Pressemitteilung der Stiftung (01.07.2011). Es geht also offenbar nicht um ernsthafte Ãberprüfung, sondern um wissenschaftlich bemäntelte Bestätigung. Trotzdem ist das Angebot, eine ganze Professur gestiftet zu bekommen, für eine stets klamme Universität sehr verlockend.
Inhaberin der Professur an der Charité ist Claudia Witt, die bereits für ihre Doktorarbeit über die physikalische Untersuchung homöopathischer Hochpotenzen einen Förderpreis der Carstens-Stiftung erhalten hatte. Witt ist weit über die Szene hinaus vernetzt: Sie ist nicht nur Präsidentin der International Society for Complementary Medicine Research (ISCMR), sondern hat auch eine Gastprofessur an der University of Maryland School of Medicine inne und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie sowie der Deutschen Krebsgesellschaft. AuÃerdem hat sie direkten Zugang zu höchsten EbM-Gremien: Sie sitzt im Beirat des alternativmedizinischen Ablegers der Cochrane Collaboration, dem Advisory Board des Cochrane Complementary Medicine Field.
Der lange Arm der Carstens-Stiftung
Das Gedankengut der Carstens-Stiftung wird in Zukunft vermutlich noch weitere Kreise ziehen und an Einfluss gewinnen: Rainer Lüdtke, seit dem Jahr 2000 als Biometriker bei der Carstens-Stiftung, wechselte 2012 zum Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, wo er 50 Stiftungen aus den Forschungsbereichen Physik, Technik und Medizin betreuen soll. Lüdtke war bei der Carstens-Stiftung für das knifflige Interpretieren von Studien und das Anleiten von Forschern zuständig, zudem ist er Autor zahlreicher Studien und Mitherausgeber der Zeitschriften Forschende Komplementärmedizin und Complementary Therapies in Medicine . Harald Walach, Professor an der Universität Frankfurt an der Oder und einer der prominentesten Homöopathie-Verfechter Deutschlands, ist in einem Beitrag des Blogs »Informationen zur Homöopathie« (18.12.2011) voll des Lobes für Lüdtke: »Weltweit gibt es nur eine Handvoll von Statistikern, die ⦠meinungsresistent genug sind, um die immer noch weitverbreitete Skepsis gegenüber diesem Gebiet nicht allzu ernst zu nehmen.« Dabei sollte man annehmen, Skepsis ernst zu nehmen sei eine der Kardinaltugenden eines Wissenschaftlers.
Die Besetzung der akademischen Welt hat offenbar Erfolg: Sowohl in der Grundlagen- als auch in der klinischen Forschung widmen Hunderte Forscher ihre Zeit und ihr Budget dem Versuch, eine Wirkung der Homöopathie zu beweisen. Laut »Homeopathy in Europe«, einem Grundsatzpapier des »European Committee for Homoeopathy« von 1994, waren bereits damals in Europa 90 Forscher aus verschiedenen Universitäten und Instituten Mitglied in der »Internationalen Gruppe zur Erforschung der Wirkung hoch potenzierter Substanzen«, kurz GIRI, organisiert. Auch klinische Forschung zur Homöopathie wird inzwischen an diversen Universitäten betrieben, neben dem komplementär-medizinischen Lehrstuhl an der Charité in Berlin auch an der Technischen
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