Die Homoeopathie-Luege
diese ihren Werdegang sehr oft mit groÃer Ernüchterung über die Welt der konventionellen Medizin. Manche haben schon ihr Medizinstudium als theorielastig und menschenfern erlebt. Andere mussten bei der Ausbildung im Krankenhaus feststellen, dass sie kaum Zeit für die einzelnen Patienten hatten. Wieder andere sind der Meinung, als niedergelassene Ãrzte keine Freiräume für ausführliche Patientengespräche zu finden, weil die zu gering honoriert werden. Und viele sind schmerzlich an ihre Grenzen gestoÃen, wenn sie feststellen mussten, dass sie manchen Kranken mit konventionellen Methoden nicht helfen konnten oder sogar das Gefühl hatten, ihnen eher zu schaden. Beweggründe, die Homöopathen offensichtlich mit Kollegen anderer Naturheilkunderichtungen teilen: Kalifornische Alternativmediziner gaben in einer Studie aus den 80er-Jahren an, die geringe Wirksamkeit konventioneller Behandlungen bei chronisch Kranken und die Nebenwirkungen vieler Arzneien seien für sie Gründe gewesen, sich unkonventionellen Verfahren zuzuwenden. Eine 1992 veröffentlichte schwedische Ãrztebefragung führte das Interesse an Alternativmedizin auf das ungute Gefühl zurück, den Problemen der Patienten machtlos gegenüberzustehen. Im Jahr 2004 erschien eine Untersuchung über 161 schottische Hausarztpraxen: In jeder fünften verschrieben Ãrzte Kindern regelmäÃig Homöopathika â vor allem, weil herkömmliche Medikamente bei den kleinen Patienten versagt hatten oder die Mediziner die geringen Nebenwirkungen der Homöopathika schätzten. In einer 2001 abgeschlossenen deutschen Befragung unter 70 Alternativmedizinern berichteten die Homöopathen in den Interviews zum Beispiel, erfolglose konventionelle Therapieversuche bei chronisch Kranken oder schwere Nebenwirkungen von Behandlungen auf einer Intensivstation seien für sie die Motivation gewesen, in die FuÃstapfen Hahnemanns zu treten (zitiert nach Gunnar Stollberg in Claudia Witt (Hrsg.): Der gute Arzt aus interdisziplinärer Sicht, KVC Verlag, 2010).
Und immer wieder bewegen auch gute Erfahrungen am eigenen Leibe Ãrzte dazu, sich näher mit Homöopathie zu befassen. Cornelia Bajic lieà zu Beginn ihrer ärztlichen Laufbahn sich selbst und ihre Familie von einem Bonner Homöopathen therapieren: »Ich war skeptisch und wollte wissen, ob an der Homöopathie etwas dran ist. Also habe ich mich mit meiner ganzen Familie zu einem homöopathischen Arzt in Behandlung begeben. Er konnte tatsächlich helfen. Meine kleine Tochter litt an Neurodermitis, und es war beeindruckend, wie schnell diese unter der homöopathischen Behandlung verschwand«, sagt die Ãrztin aus Remscheid, zurzeit Erste Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ãrzte.
Bajic zufolge entscheiden sich vor allem solche Mediziner für die Homöopathie, die § 1 in Samuel Hahnemanns Organon besonders ernst nehmen: »Des Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu machen, was man Heilen nennt« (zitiert nach der 6.Auflage, marixverlag, 2005). »Wir sind sehr idealistische Ãrzte. Wenn man Patienten wirklich heilen kann und deren Leben auf den richtigen Weg bringt, dann ist das sehr erfüllend«, sagt Cornelia Bajic.
Allerdings wäre auch das Finanzielle ein gut nachvollziehbarer Grund, warum sich viele Mediziner für die Homöopathie als Therapie mit einer erheblichen Nachfrage durch eine zahlungskräftige Klientel interessieren könnten: Oft sind es gerade gebildete, gesundheitsbewusste Besserverdiener, die dem Arzt für eine naturheilkundliche Behandlung auf Privatrechnung ihr Portemonnaie öffnen. Schon Ende der 80er-Jahre gaben 90 Prozent von 936 Kinder- und Allgemeinärzten sowie Internisten an, dass ihre Patienten öfter oder gelegentlich nach Naturheilverfahren fragten â und dass diese Patienten meist aus dem bürgerlichen Mittelstand stammten (Robert Jütte: Geschichte der Alternativmedizin , C.H.Beck, 1996). Laut einer neueren repräsentativen Umfrage des CGM Gesundheitsmonitors hatten 37,3 Prozent der Homöopathie anbietenden Ãrzte diese vor allem deshalb im Leistungskatalog, weil Patienten explizit danach fragten. Ãberzeugt von der Lehre Hahnemanns waren dagegen nur 23,5 Prozent. Immerhin 26,8 Prozent beriefen sich noch auf gute Erfahrungen mit der Homöopathie, und 12,4 Prozent wollten schlicht »den
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