Die Homoeopathie-Luege
Leiden noch auf drei Grundübel zurück (die krätzeähnliche »Psora«, die »Sykosis«, die sich durch (Feig-)Warzen bemerkbar macht, und die »Syphilis« mit Geschwüren), haben homöopathische Ãrzte diese Vorstellung inzwischen ein wenig dem modernen Krankheitsgeschehen angepasst. Sie haben unter anderem noch die »Karzinogenie« eingeführt, ein Miasma zur Umschreibung von Krebs. Etwas vereinfacht gesagt, stellen sich viele Homöopathen bösartige Tumorerkrankungen heute als Ausdruck einer Verschmelzung von Warzen- und Syphilisanteilen vor. Wobei die Deutung dieser Miasmen in den verschiedenen Homöopathie-Strömungen erheblich auseinandergeht, was die Lage nicht gerade übersichtlich macht.
Wissenschaftlich belegbare und oft detailliert erforschte Ursachen wie Stoffwechselstörungen, Durchfallbakterien, Schnupfenviren oder chronische Entzündungen spielen dagegen im Krankheitsgeschehen nach homöopathischer Lesart höchstens eine Nebenrolle. Wenngleich homöopathische Ãrzte ihren Patienten in Aussicht stellen, sie »von Grund auf« und »ganzheitlich« zu behandeln, ist die Homöopathie von ihrem Ursprung her eine Lehre von der Linderung äuÃerlicher Symptome: Es gehört zu den von Samuel Hahnemann selbst verfassten und in seinem Organon (§ 6 und 7) niedergeschriebenen Prinzipien, dass der Arzt gar nicht in der Lage ist, die inneren Ursachen einer Krankheit zu erfassen, und sich daher beschränken möge auf »nichts, als äuÃerlich durch die Sinne erkennbare Veränderungen im Befinden des Leibes und der Seele, Krankheitszeichen, Zufälle, Symptome«. Diese wahrnehmbaren Zeichen repräsentieren nach Hahnemann »die Krankheit in ihrem ganzen Umfange, das ist, sie bilden zusammen die wahre und einzig denkbare Gestalt der Krankheit«. Er spottete sogar über Mediziner, die meinten, sie müssten im Inneren des Körpers nach organischen Krankheitsursachen suchen.
Noch heute behandeln Ãrzte mit Globuli und anderen Homöopathika im Wesentlichen die auf mannigfaltige Weise verstimmte Lebenskraft und berufen sich dabei auf ein angeblich allgemeingültiges Ãhnlichkeitsprinzip als biologische GesetzmäÃigkeit.
Im Jahr 2012 findet sich im Jahresprogramm des DZVhà eine Art Kurzdefinition der homöopathischen Ganzheitsmedizin: Im Gegensatz zu anderen Heilsystemen lege sie ihrem Vorgehen »keine vorbestimmten Ganzheiten zugrunde, etwa funktionale anatomisch-physiologische Bezüge, definierte Krankheitsbilder oder andere prozessuale Vorgänge, wie etwa die Schulmedizin«.
Die Wissenschaft und die Rosinen
Ganz verschlieÃen wollen sich heute aber auch Homöopathen nicht mehr der Idee, man könne ihre Disziplin wissenschaftlich erforschen (siehe Kapitel 3).
Cornelia Bajic vom DZVhà wünscht sich unter homöopathischen Ãrzten mehr Interesse an Wissenschaft: »Die Homöopathen haben sich viel zu lange abgeschottet und den Dialog mit der konventionellen Medizin gemieden, aber das ist verkehrt.« Im Prinzip sei »auch die Homöopathie mit den Methoden der evidenzbasierten Medizin erforschbar«. Ihrem Vorgänger Curt Kösters scheint es ebenfalls ein echtes Anliegen zu sein, der Homöopathie endlich auf den Zahn zu fühlen: »Ich sage es ungern, aber manchmal erscheint mir die Welt der Homöopathie ein wenig autistisch. Es würde uns guttun, uns mehr dafür zu öffnen, dass wir wissenschaftlich begründen, was wir tun. Auch deshalb haben wir 2010 die WissHom gegründet.« Die WissHom ist die Wissenschaftliche Gesellschaft für Homöopathie, ein Verein mit Sitz im anhaltinischen Köthen. Gegründet von homöopathischen Ãrzten und Wissenschaftlern, widmet sie sich der Erforschung der Homöopathie und der Weiterentwicklung ihrer Arzneimittellehre.
Vordergründig bedient sich auch die Homöopathie der Werkzeuge und Methoden der evidenzbasierten Forschung. Allerdings nehmen sich homöopathisch tätige Ãrzte, Lobbyorganisationen und homöopathienahe Wissenschaftler regelmäÃig das Recht heraus, die Werkzeuge dieser Forschung etwas zurechtzuschleifen und gebräuchliche Methoden klinischer Studien gleich ganz in Zweifel zu ziehen. Eine Praxis mit langer Tradition: Schon 1835 im Nürnberger Wirtshaus »Zum rothen Hahn« kritisierten die Homöopathen im Nachhinein den Kochsalzversuch, zu dem sie sich zuvor
Weitere Kostenlose Bücher