Die Homoeopathie-Luege
ärztlicher Zuwendung und medizinischer Rituale. Das ist nichts Anrüchiges, sondern ein echtes Pfund, mit dem Ãrzte arbeiten können und sollen.
Wir wünschen uns Mediziner, die mit beiden FüÃen fest auf dem Boden von Naturgesetzen und physiologisch-biologischen Zusammenhängen stehen, einen Ãberblick über die Studienlage in ihrem jeweiligen Fachgebiet haben, aber trotzdem die Menschlichkeit und den Blick für den ganzen Patienten nicht aus den Augen verlieren. Ãrzte, die die Kranken kompetent und seriös über Vor- und Nachteile, vor allem aber über Unsicherheiten von Diagnose- oder Therapiemethoden aufklären und die das Verhältnis zu ihrem Patienten als ein partnerschaftliches begreifen, in dem der Kranke mitentscheidet, was mit ihm zu geschehen hat. Ãrzte, denen bewusst ist, dass ein weiÃer Kittel, ein fester Händedruck, ein medizinisches Procedere, Empathie und Optimismus dazu beitragen können, einen Menschen gesund zu machen, und die mit diesem Wissen verantwortungsbewusst umgehen.
Wir wünschen uns, dass gerade besonders engagierte Ãrzte die Homöopathie nicht als vermeintlichen Ausweg aus dem medizinischen System nutzen würden, um Ideale von einer menschlicheren Heilkunst zu verwirklichen. Längst setzen sich in der konventionellen Medizin zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) oder Initiativen innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigungen dafür ein, die »sprechende« Medizin zu fördern und angemessen abrechnungsfähig zu machen. Ãrzte, denen es um den Dienst am Patienten geht, um eine Aufwertung des persönlichen Gesprächs gegenüber der Apparatediagnostik, um Zuwendung und ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Kranken, werden überall innerhalb der Medizin gebraucht â nicht nur in einer kassen- und privatärztlichen Abrechnungsnische, wie sie die Homöopathie für sich besetzt hat.
Wir sind überzeugt von der heilsamen und lindernden Kraft von Spiritualität und Glaubensvorstellungen jeglicher Art. Nicht umsonst arbeiten Kliniken mit religiösen Seelsorgern verschiedener Bekenntnisse zusammen und stellen ihren Kranken Gebets- und Meditationsräume zur Verfügung. Ein Kranker hat das Recht auf jeglichen Glauben, der ihm in seiner speziellen Situation guttut, und jeder Doktor hat die Pflicht, diesen Glauben zu respektieren. Allerdings ist es nicht Aufgabe eines Arztes, dem Patienten gegenüber einen Glauben zu vertreten. Und er hat keine Berechtigung, seine Therapien vorrangig auf Glauben zu gründen. Auch nicht auf den Glauben an Wirksamkeit.
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Die andere Pharmaindustrie:
Wie man mit Glauben Geld verdient
In heutigen Begriffen könnte man Willmar Schwabe als Selfmade-Millionär und Marketing-Genie bezeichnen. Wohl keine Persönlichkeit mit Ausnahme von Samuel Hahnemann hat die deutsche Homöopathie so geprägt und befördert wie der schnauzbärtige Pharmaunternehmer aus dem sächsischen Vogtland.
Schon als junger Apotheker und frischgebackener Doktor der Pharmazie war Willmar Schwabe angetan von Hahnemanns Theorien. Und er hatte offenbar etwas Wichtiges erkannt, als er sich 20 Jahre nach des Meisters Tod anschickte, ein weltumspannendes Homöopathie-Imperium aufzubauen: Angesichts einer wachsenden Zahl homöopathischer Ãrzte würde er sein Unternehmen niemals gegen deren Interessen etablieren können. Der Schlüssel zu Erfolg und Profit lag im Schulterschluss mit der Ãrzteschaft.
Eine für Apotheker damals nicht selbstverständliche Haltung. Noch zu Hahnemanns Lebzeiten hatten die Pharmazeuten erbittert mit den homöopathischen Doktoren darum gestritten, wer das attraktive Recht haben sollte, Globuli und andere Mittel herzustellen und zu verkaufen. Man kann sich das Aufheulen im Apothekerlager lebhaft vorstellen, als dieses lukrative Privileg im Jahr 1843 in PreuÃen auch homöopathischen Medizinern zuteil wurde.
Doch aus den dauernden Grabenkämpfen hielt sich der junge Willmar Schwabe heraus, als er zwei Jahrzehnte später in Leipzig die »Homöopathische Central-Officin Dr. Willmar Schwabe« gründete. Für ihn stellten Ãrzte keine Gegner dar, sondern das, was sie bis heute für die Pharmaindustrie sind: begehrte Kunden, die Tag für Tag groÃe Mengen von Arzneimitteln an den Patienten oder die Patientin bringen.
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