Die Homoeopathie-Luege
Kundschaft erfolgreich zu binden, fuhr der Unternehmer zweigleisig: Der Apotheker und Arzneiproduzent Schwabe stellte homöopathische Medikamente her, die so genau wie möglich den Vorgaben Hahnemanns entsprachen und damit auch die Ansprüche orthodoxester Homöopathen befriedigten. Diese Mittel konnte er in immer gröÃeren Mengen liefern. Er lieà eigene Arzneipflanzen für die Gewinnung homöopathischer Urtinkturen anbauen und setzte Hahnemanns präzise Regeln zum Verschütteln und Verdünnen im industriellen MaÃstab um: Während andere Apotheker weiterhin mit Glasfläschchen und Mörsern hantierten, baute Schwabe über mehrere Jahrzehnte Fabriken auf, in denen später zum Teil Maschinen das homöopathische Handwerk übernahmen, etwa ausgeklügelte »Verreibungsmaschinen«, die die homöopathischen Grundstoffe mit Zucker verrubbelten.
Gleichzeitig arbeitete Willmar Schwabe als Verleger und Publizist mit Feuereifer daran, »die Verbreitung der Homöopathie mit einer Vielzahl propagandistischer Mittel zu fördern«, wie es der Medizinhistoriker Robert Jütte in der von Martin Dinges herausgegebenen Weltgeschichte der Homöopathie ausdrückt (C. H. Beck, 1996). Unter den Schwabeâschen Firmendächern wurden Unmengen Papier bedruckt: Zum Unternehmen gehörte ein kompletter Verlag mit Setzerei, Druckerei, Buchbinderei und Sortimentsbuchhandlung. Ein Verlag, der laut Martin Dinges »nicht nur jeden Arzt, sondern auch jeden homöopathischen Laien mit seinen Broschüren zu erreichen versuchte«. Des Weiteren wurden dort Homöopathie-Bücher für Ãrzte, Ratgeber für Laien und die Leipziger Populäre Zeitschrift für Homöopathie gedruckt und trugen in groÃem Stil dazu bei, die Begeisterung für die Lehre Hahnemanns in der Welt zu verbreiten.
Willmar Schwabe etablierte in Leipzig ein Krankenhaus, in dem sich Ãrzte in Homöopathie ausbilden lassen und sie erforschen konnten. Die Firma finanzierte Kongresse und Seminare für Mediziner und unterstützte homöopathische Arzneimittelprüfungen. So gut waren die Kontakte des Unternehmers zu Medizinern, dass er zu den ausgewählten Pharmazeuten gehörte, die in den damaligen »Centralverein homöopathischer Ãrzte Deutschlands« aufgenommen wurden. Wenige Jahre vor seinem Tod schaffte er es sogar noch, die Allgemeine Homöopathische Zeitung an seinen Verlag zu binden â das wichtigste homöopathische Fachblatt und bis heute das offizielle Verbandsorgan des Zentralvereins.
Das Erbe des Unternehmers
Vor allem aber prägte Schwabe entscheidend die bis heute gültigen Standards, nach denen Homöopathika in vielen Ländern der Welt produziert werden. Der Pharmachef verfasste ein Arzneibuch mit detaillierten Vorschriften zur Herstellung von Globuli, homöopathischen Tabletten oder Tropfen und lieà es in vielen Sprachen drucken. Sein Erbe lebt bis heute fort: im amtlichen Homöopathischen Arzneibuch , an das sich Industrie, Apotheker und Zulassungsbehörden halten.
Schwabes industrielle Pharmaproduktion mit angegliederter Marketing-Maschine zahlte sich aus: Ãber Jahrzehnte wuchs aus seiner Leipziger »Officin« ein international agierendes Unternehmen, das den Homöopathika-Markt über lange Zeit beherrschte. Um 1900 hatte die Firma bereits 50 Ableger im Ausland. Unter seinem Sohn, der ebenfalls Willmar hieÃ, brachte sie es in den 1920er-Jahren auf mehr als 2500 Filialen in aller Welt. Neben Homöopathika stellte das Schwabeâsche Unternehmen auch nichthomöopathische Pflanzenpräparate her. Nach dem Krieg wurde der Sitz der Firma nach Karlsruhe verlegt, und nach diversen Umstrukturierungen trennten sich die beiden Produktionslinien: Die pflanzlichen Arzneimittel werden in Karlsruhe bis heute unter dem bekannten Firmennamen »Dr. Willmar Schwabe« hergestellt, und aus dem Homöopathiezweig ging 1961 die »Deutsche Homöopathie-Union« (DHU) in Karlsruhe hervor. Sie ist heute Marktführer für Homöopathika in Deutschland mit einer riesigen Lieferpalette, darunter klassische Einzelmittel in der Tradition Hahnemanns ebenso wie Kombinationspräparate auf Basis mehrerer Arzneisubstanzen.
Marketing und Lobbyarbeit wie die GroÃen
Als naturnah und sanft präsentieren sich Homöopathika-Hersteller mit ihren Produkten. Bunte Blümchen, strotzende Wiesen und bauschige Wölkchen
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