Die Hongkong-Papiere
Schnellhefter. »Sehen Sie sich das mal an.«
»Mit Vergnügen.«
»Ich mache inzwischen Tee, Sir.«
Sie ging hinaus. Dillon ließ sich auf der gepolsterten Fenster
bank nieder und zündete sich eine Zigarette an. Nachdem er die Lektüre beendet hatte, kam die Polizistin mit einem Tablett zurück, und Dillon ging hinüber zum Kamin.
»Eine faszinierende Sache, diese Geschichte mit dem Tschungking-Abkommen.« Zu dem Schnellhefter gehörten auch ein paar Fotos, die mit Büroklammern am Deckel befestigt waren. Eins zeigte Morgan in Polokluft. »Das ist der Mann. Sieht aus wie ein Werbefoto für Rasierseife.«
»Er ist gefährlich«, sagte Hannah, während sie Tee ein schenkte. »Vertun Sie sich nicht.«
»Ich weiß, meine Liebe«, sagte er. Es gab auch noch andere Fotos. Auf einigen befand Morgan sich in Gesellschaft be rühmter Wohltäter, und auf zwei Bildern war er mit Luca zu sehen. »Er kennt wirklich jeden.«
»So könnte man es ausdrücken.«
»Und dies?« fragte Dillon.
Das letzte Foto zeigte Morgan auf seiner Jacht im Hafen von Cannes. Er lag in einem Liegestuhl, ein Glas Champagner in der Hand, und schaute zu einer jungen Frau hoch, die an der Reling lehnte. Dem Aussehen nach war sie um die Sechzehn. Sie trug einen Bikini und hatte blonde Haare, die ihr auf die Schultern herabfielen.
»Seine Stieftochter, Asta; allerdings trägt sie seinen Namen«, lieferte Hannah eine Erklärung.
»Eine Schwedin?«
»Ja. Das Bild wurde vor mehr als vier Jahren aufgenommen. Sie wird in drei Wochen einundzwanzig. Wir haben noch ein weiteres Foto von ihr zusammen mit Morgan aus dem Tatler. Es wurde auf dem Rennplatz in Goodwood aufgenommen. Überaus attraktiv, die Kleine.«
»Ich denke, Morgan ist da völlig Ihrer Meinung, wenn man betrachtet, wie er sie auf diesem Foto ansieht.«
»Warum sagen Sie das?« fragte Ferguson.
»Er lächelt gewöhnlich sehr viel, zum Beispiel auf allen anderen Fotos, aber nicht auf diesem hier. Es sieht so aus, als wollte er sagen: ›Ich nehme dich ernst.‹ Was ist mit der Mutter?«
»Sie ertrank vor etwa einem Jahr beim Tauchen in der Nähe der griechischen Insel Hydra«, sagte Hannah.
»Ein Unfall?«
»Ein schadhafter Preßlufttank, so stand es im Autopsiebe
richt, aber wir haben die Kopie eines Untersuchungsberichts der Athener Polizei.« Hannah holte das Schriftstück aus dem Ordner. »Der Brigadier erzählte mir, Sie seien ein erfahrener Taucher. Deshalb wird dieser Bericht Sie sicherlich interessie ren.«
Dillon überflog ihn, dann sah er stirnrunzelnd hoch. »Das war kein Unfall. Jemand muß sich an dem Ventil zu schaffen gemacht haben. War die Angelegenheit damit erledigt?«
»Die Polizei hat Morgan nicht einmal informiert. Ich habe die
Kopie von einem Freund beim griechischen Geheimdienst aus der Ablage bekommen«, berichtete Ferguson. »Morgan unterhält in Griechenland zahlreiche geschäftliche Beteiligun gen, in der Schiffahrt, an Kasinos, Hotels. Es gab eine Anwei sung von oben, die Untersuchung sofort abzubrechen.«
»Sie wären sowieso nicht viel weiter gekommen«, sagte Hannah. »Jedenfalls nicht bei dem Geld, das er besitzt, und bei seiner Macht und seinem Einfluß.«
»Aber wir gehen doch davon aus, daß er entweder seine Frau selbst getötet oder ihren Tod arrangiert hat«, sagte Dillon. »Weshalb sollte er so etwas getan haben? War sie reich?«
»Ja, aber bei weitem nicht so reich wie er«, sagte Ferguson. »Ich denke mir, daß sie vielleicht zuviel wußte.«
»Und was ist Ihre Meinung?« wollte Dillon von Hannah Bernstein wissen.
»Es ist möglich.« Sie nahm das Foto mit der Jacht hoch. »Vielleicht war der Grund aber auch ein anderer. Vielleicht wollte er Asta für sich.«
Dillon nickte. »Das war auch meine Idee.« Er wandte sich an Ferguson. »Wie gehen wir nun in dieser Angelegenheit vor?«
Ferguson übergab Hannah mit einem Kopfnicken das Wort. »Da ist dieses Gut am Loch Dhu – Morgan zieht am kommen den Sonntag dort ein. Der Brigadier und ich fliegen am Freitag dorthin. Wir landen auf dem alten RAF-Flugplatz in Ardna murchan, und dann beziehen wir die Ardnamurchan Lodge, wo Kim bereits seine Zelte aufgeschlagen hat.«
»Und was ist mit mir?«
»Sie sind mein Neffe«, sagte Ferguson. »Meine Mutter war Irin, erinnern Sie sich? Sie stoßen ein paar Tage später zu uns.«
»Weshalb?«
»Laut unseren Informationen begleitet Asta ihren Stiefvater nicht. Sie
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