Die Hongkong-Papiere
immer.«
»Ja, aber es ist etwas viel Bedeutenderes eingetreten, und das wissen Sie genau.«
Hannah Bernstein blickte verwirrt drein, und Ferguson sagte: »Sie haben das Gesetz über Landesverrat und die Gefährdung der äußeren Sicherheit unterschrieben, als Sie zu mir kamen. Und das bedeutet, daß alles, was Sie während Ihrer Tätigkeit bei mir sehen und hören, streng geheim ist und gegebenenfalls auch anderen rechtlichen Bewertungsmaßstäben unterliegt. Habe ich recht?«
»Natürlich, Sir.«
»Dillon?« sagte er.
»Ich habe heute Fergus Munros Leiche am Rand des Loch Dhu gefunden. Ich war dort mit Asta unterwegs. Nach meinem ersten Eindruck wurde er furchtbar verprügelt. Ich nehme an, er ist nachher im Wasser zusammengebrochen und ertrunken.«
»Mein Gott!« sagte Hannah.
Dillon wandte sich zu Asta um. »Ich habe Dillon gebeten, nichts weiter zu unternehmen«, erklärte sie.
»Weshalb?« fragte Hannah.
»Weil es irgendwie meine Schuld war. Nur wegen mir wollte Carl ihm eine Lektion erteilen.«
»Ich verstehe.« Hannah sah Ferguson vorwurfsvoll an. »Ge nau betrachtet, haben Sie ein Kapitalverbrechen vertuscht, Sir; zumindest Totschlag.«
»Sie haben absolut recht, Chief Inspector. Ich kann Ihnen auch noch alle häßlichen Details liefern: Dillon und ich haben Morgan und diesen Marco dabei beobachtet, wie sie die Leiche mit dem Motorboot, der Katrina, bargen und anschließend mit einer schweren Kette umwickelt mitten im See versenkten.«
Sie schüttelte entgeistert den Kopf. »Sie haben ihm zugesehen und ihn einfach laufen lassen?«
»Sie sehen die Sache falsch, liebes Kind«, sagte Dillon. »Die Vergeltung kann auch später noch erfolgen.«
»Genau«, pflichtete Ferguson ihm bei. »Im Augenblick gibt es Wichtigeres zu bedenken.« Er ergriff ihre Hand, setzte sich auf die Couch und zog sie neben sich. »Ich habe Sie als meine Assistentin ausgewählt, weil Sie einer der klügsten Köpfe bei Scotland Yard sind.«
»Meinen Sie nicht, daß Sie die Schmeichelei ein wenig übertreiben, Brigadier?«
»Unsinn! Sehen Sie sich doch nur mal an, wo Sie herkom men. Ihr Großvater ist ein hochangesehener Rabbiner, Ihr Vater Professor der Medizin. Sie haben in Cambridge Ihren MA in Psychologie abgelegt. Sie hätten alles mögliche werden können. Sie haben sich jedoch für den Polizeidienst entschie den, sind in Brixton Streife gegangen und dank Ihrer Fähigkei ten aufgestiegen. Ich brauche Sie, und ich will Sie bei mir haben; aber das hier ist keine normale Polizeiarbeit. Unsere Tätigkeit ist eher mit einem überaus komplizierten Spiel zu vergleichen. Wir haben bei allem stets nur das Endergebnis im Auge.«
»Weil der Zweck die Mittel heiligt?«
Es war Dillon, der sich vorbeugte, ihre Hände ergriff und die Polizeibeamtin hochzog. »Gott schütze uns, Mädchen, aber er hat recht, manchmal trifft es zu. Man nennt es das höhere Wohl.«
Er legte einen Arm um sie, und sie lehnte sich gegen ihn. Dann straffte sie sich und brachte mühsam ein mattes Lächeln zustande. »Im Nationaltheater hätte man Sie auf Händen getragen, Dillon, Sie wären sogar zum Ritter geschlagen worden. Statt dessen haben Sie sich für die IRA entschieden.« Sie wandte sich an Ferguson. »Kein Problem, Sir. Kann ich irgend etwas tun?«
Er deutete mit einem Kopfnicken auf Asta, und Hannah setzte sich neben sie und faßte nach ihrer Hand. »Als Sie Morgan erklärten, Sie wollten mit uns fahren, hat er Ihnen diese Bitte doch nicht abgeschlagen. Stimmt’s?«
»Ich denke, schon«, sagte Asta.
»Gehen wir doch mal ganz logisch vor. Er hatte es auf uns abgesehen, hatte nicht damit gerechnet, daß Sie uns begleiten würden. Aber als dieser Fall eintrat – als Sie Ihre Bitte äußerten –, sagte er nicht nein.«
Asta saß da und blickte sie verdrossen an. »Weshalb? Er liebt mich.«
»Er schätzt Sie schon sehr, Asta, das ist richtig. Sicher, Sie wußten alles über seine Mafia-Verbindungen und so weiter, und was Sie nicht erkennen, ist, daß dies immer eine gewisse Verpflichtung für ihn darstellte. Aber Fergus …« Hannah Bernstein schüttelte den Kopf. »Selbst wenn er infolge der Mißhandlungen ertrunken wäre, würde die Anklage auf Totschlag lauten. Damit würde Carl Morgan im Old Bailey sieben Jahre bekommen, und Mafia-Anwälte erzielen vor englischen Gerichten nicht die gleichen Erfolge wie in Ameri ka. Sieben Jahre, Asta. Sieben Jahre für einen milliardenschwe ren
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