Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
des Stoffes zu hören, als die Kapuze sich zu ihm umdrehte. »Ja?«
»Wenn ich so kühn sein darf zu fragen: Worauf warten wir?«
»Darauf.«
Nebel bildete sich am Fuß des Hügels, ein Nebel, der aus der Erde aufzusteigen schien. Der Dunst erhob sich langsam, bis er das Gras auf dem Hügelkamm bedeckte und schließlich bis zu Valescienns Stiefeln reichte. Stetig stieg er weiter, bildete einen Pfeiler von der Größe eines Hünen. Die Nebelschwaden strömten nach innen, ein Mahlstrom aus Weiß. Als der Nebel sich von seinen Füßen zurückzog, blickte Valescienn unwillkürlich nach unten. Das Gras glänzte feucht, aber die leicht rötliche Färbung und das metallische Aroma, das ihm in die Nase stieg, deutete nachdrücklich darauf hin, dass der Boden um ihn herum keineswegs von Tau überzogen war.
Da bildete sich ein Gesicht in der Nebelsäule, das ausschließlich aus Löchern im Dunst bestand. Diese Löcher füllten sich unmittelbar darauf mit zähflüssigem, brodelndem Blut, das sich zu zwei roten, ansonsten jedoch menschlichen Augen verdickte. Der Rest des Gesichts füllte sich ebenfalls mit Blut, kurz darauf folgte der Körper. Im selben Moment verschwand der Nebel, und eine dritte Gestalt erschien neben ihnen auf dem Hügelkamm.
Die Gesichtszüge des Unbekannten waren scharf wie Rasierklingen, und sein starrer Blick richtete sich auf Valescienn. Das Haar des Mannes war schwarz und glatt und fiel ihm bis auf die Schultern. Er trug ein einfaches weißes Wams, das bis zur Taille offen war. Das Kleidungsstück war makellos und frisch, trotz der feuchten Umgebung, und die graue Hose steckte in schwarzen Reitstiefeln. Die Finger des Mannes waren lang und schlank, die Nägel perfekt manikürt. Mit den vollen Lippen und der völlig faltenlosen Haut wirkte er beinah feminin.
»Eine interessante Wahl«, sagte der Neuankömmling, während er Valescienn prüfend musterte. Seine Stimme klang melodisch.
»Er dient meinen Zwecken ganz ausgezeichnet«, erwiderte Audriss.
Der Fremde starrte den Recken noch einen Augenblick an, dann schritt er zu dem schwarz gekleideten Mann hinüber. Dabei bemerkte Valescienn, dass sich der Nebel noch nicht völlig verzogen hatte, sondern noch an den Füßen des Neuankömmlings hing und sich bei jedem Schritt von seinen Stiefeln bis zum Boden ausdehnte, ja, geradezu wie wässriger Schlamm daran klebte.
»Valescienn«, sagte Audriss. Er klang so lässig, als würde er gerade jemanden bei einem Familientreffen vorstellen. »Das ist Mithraem.«
Die merkwürdige Gestalt verbeugte sich förmlich. »Es ist mir eine Ehre.«
Valescienn erkannte den Namen, und Entsetzen durchströmte ihn. Er hatte plötzlich sogar Schwierigkeiten mit dem Atmen.
Mithraem zeigte kurz ein hohles, freudloses Lächeln und schien dann Valescienns Gegenwart vollkommen auszublenden. »Die Legion wartet auf dein Signal.«
»Ausgezeichnet.« Audriss winkte seinem Untergebenen zu, der daraufhin vollkommen betäubt vortrat. »Darauf habe ich gewartet. Benachrichtige die Männer, Valescienn. Ich will, dass sie für die Schlacht bereit sind, sobald unsere Leute in der Stadt die Mauern besetzt haben.
Wir greifen morgen an.«
Die letzten kühlen Tage des Frühlings verstrichen, und der Sommer erreichte Chelenshire. Die Männer gingen ihren Aufgaben nach und versicherten einander, dass die Hitze ihnen nicht im Geringsten zusetzte. Dennoch wischte sich ein jeder ständig mit dem Hemdsärmel den Schweiß aus dem Gesicht und von der Stirn, sobald er sich unbeobachtet fühlte. Das Wetter war nicht allzu unangenehm, denn noch herrschte nicht die glühende Hitze, die ihnen schon in einem Monat drohte. Die Kinder schienen sich davon in keiner Weise beeindrucken zu lassen. Sie gingen ihren Pflichten nach, rannten herum und spielten, bis auf die Jüngsten, die nur aufgescheucht hin und her liefen. Sie ließen ihren Launen freien Lauf, fügten sich in die Umstände, taten, was ihre Eltern ihnen befahlen.
Nur Lilander und Mellorin hatten die Aufgaben, die man ihnen angetragen hatte, vollkommen vergessen und jagten sich mit einem Eimer voll Brunnenwasser durch den Garten. Sie schrien und brüllten und durchnässten alles und jeden, der das Pech hatte, ihnen auf ihren unberechenbaren, verschlungenen Pfaden in die Quere zu kommen. Tyannon war im Haus und flickte die Kleidung der Kinder, die sie erst gestern zerrissen hatten, und Corvis, der heftig schwitzend dabei war, den Koppelzaun ihres Pferdes Rascal zu reparieren, hatte
Weitere Kostenlose Bücher