Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
mir?«
»Corvis, ich bin es!«
Endling drang die Stimme in sein von Schlaf umnebeltes Hirn. »Seilloah?«
»Höchstpersönlich. Sozusagen.«
»Bei allen Göttern, wie bist du hierhergekommen? Und wo steckst du?«
»Ich bin nicht wirklich hier. Und tritt bitte keinen Schritt zurück. Du würdest meinen Stellvertreter zerquetschen.«
»Deinen was?« Corvis erstarrte, als ein kleines, pelziges Wesen ihn am Knöchel streifte. »Du sprichst durch eine Ratte mit mir?«
»Mehr konnte ich nicht tun«, flüsterte Seilloah durch den Nager. »Es musste klein und unauffällig sein, und ich bin nicht so geschickt im Umgang mit Käfern wie Rheah Vhoune.«
»Ratten können nicht reden. Wie bist du …?«
»Corvis«, unterbrach sie ihn geduldig, »hör dir mal selbst zu. Willst du mir etwa sagen, du hast kein Problem damit, zu akzeptieren, dass ich eine Ratte kontrollieren kann, aber es macht dir zu schaffen, dass ich durch sie spreche?«
Er hustete heiser und spuckte Blut. »Das ist vermutlich tatsächlich etwas albern.«
»Bei allen Göttern, Corvis«, erklärte Seilloah leise. »Du bist vollkommen am Ende. Es tut mir ja so leid.«
»Nein. Es war meine Entscheidung, nicht deine.« Er holte tief Luft, hustete und spie Blut. »Was passiert jetzt?«
»Wir schaffen dich hier weg.«
Corvis schüttelte den Kopf und zuckte zusammen, als diese Bewegung eine neue Schmerzwelle in ihm auslöste. »Wir können nicht riskieren, so viele Männer zu verlieren, wie für eine solche Rettungsaktion notwendig wären.«
»Ich rede nicht von einer Rettungsaktion. Ich rede von Flucht.«
»Seilloah, sieh mich an. Ich weiß nicht einmal …« Er schluckte schwer, als der Gedanke ihm in voller Konsequenz bewusst wurde. »Ich weiß nicht einmal, ob ich das hier noch lange überstehe, selbst ohne Audriss’ zärtliche Pflege. Ich kann mich kaum auf den Beinen halten. Wir haben nicht die geringste Chance.«
»Ich kann dich heilen.«
»Was?« Vor Ungläubigkeit hatte Corvis die Stimme erhoben. Er ließ sich zusammensinken und stellte sich schlafend, als die Zeltplane aufgerissen wurde und einer der Wachsoldaten den Kopf und eine kleine Laterne ins Innere des Zeltes hielt. Der Mann war ein Ausbund an Hässlichkeit und starrte wütend auf den Gefangenen, der jedoch nur im Schlaf zu reden schien. Der Soldat grinste und entblößte seine braunen, lückenhaften Zähne, als er das Elend betrachtete, und zog sich zurück.
Corvis beobachtete den Eingang verstohlen, bis er sicher war, dass der Affe verschwunden war. »Seilloah«, redete er dann leise weiter. »Wie willst du das anstellen? Diese Verletzungen … Du bist in der Vergangenheit schon an kleineren Wunden verzweifelt, und das zu Zeiten, als du deine Patienten berühren konntest. Das hier zu versuchen, während du durch einen Stellvertreter agierst, ist reiner Wahnsinn! Du wirst dir nur selbst wehtun!«
»Ich habe dich nicht den ganzen Weg hierher zurückschleppen lassen«, antwortete sie schlicht, »um dich dann vor den Füßen der Schlange sterben zu sehen. Wir machen es langsam, wir machen es sorgfältig, und wir werden es schaffen.«
»Du hast mich herschleppen … Seilloah, was redest du da?«
»Später! Jetzt rühr dich nicht.«
Corvis wollte protestieren, erstarrte jedoch, als er etwas Warmes, Pelziges mit scharfen Krallen auf dem Rücken unter seinem Hemd fühlte. »Seilloah …«
»Ich brauche Hautkontakt. Entspann dich einfach.«
»Das soll wohl ein Scherz sein?«
Einen Moment herrschte Schweigen. »Ich fürchte, das wird alles andere als angenehm. Ich muss langsam und methodisch vorgehen und eine Verletzung nach der anderen heilen. Es wird sich einiges in deinem Körper … bewegen.«
»Fabelhaft.« Corvis atmete tief ein, hielt die Luft kurz an und atmete langsam wieder aus. »Gehen wir es an.«
Der Prozess war in etwa in dem Sinne »nicht angenehm«, in dem man Spalter als »recht scharf« bezeichnen konnte. In den beiden nächsten Stunden schien ein verrückter göttlicher Bildhauer seine Hände durch Corvis’ Körper zu schieben, den feuchten Lehm in seinem Inneren neu zu arrangieren und anschließend darauf herumzuhüpfen. Splitter der Rippen, die sich in seine Brust gegraben hatten, wurden langsam herausgezogen und glitten an ihren angestammten Platz zurück wie heimwehkranke Würmer, wo sie unter Hitzewallungen zusammenschmolzen. Schorf und Narben, die sich über den unbehandelten Verletzungen gebildet hatten, fielen ab, als Fleisch und Muskeln um sie herum
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