Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
nicht ganz sicher, wie er dazu stand, aber darüber konnte er später immer noch nachdenken. Zunächst ging es um die sturen, dickköpfigen Hornochsen von Gildenmeistern und Adligen.
»Da ich mich jetzt Eurer Aufmerksamkeit versichert habe«, sagte Lorum, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, »möchte ich Euch etwas mitteilen. Wir …«
»Warum macht Ihr Euch die Mühe, Lorum?«, schrie jemand aus dem hinteren Teil des Saales. Salia Mavere, Priesterin von Verelia, der Schmiedin, und Konzilsfrau der Hufschmiedgilde stand auf. Sie war groß und muskulös, was in ihrem Beruf durchaus normal war, trug das dunkle Haar kurz geschoren und hatte die formellen Gewänder ihres religiösen Amtes angelegt, auf die Hammer und Amboss gestickt waren. »Ihr wisst verdammt gut, dass die Gilden Euch ihre Streitkräfte nicht übergeben werden. Ihr habt uns in den letzten Monaten mindestens drei Dutzend Mal darum gebeten und weigert Euch immer noch, unsere Antwort zu akzeptieren. Ich habe mit Eisen gearbeitet, das weit weniger begriffsstutzig war, als Ihr zu sein scheint.« Die Menge stimmte ihr lautstark zu, und nicht wenige lachten.
»Und die Tatsache, dass Audriss die Stadt fast erreicht hat, seine Armeen nur wenige Tagesmärsche von unseren Toren entfernt sind, genügt nicht, dass Ihr es Euch anders überlegt?«, fragte Lorum gelassen.
Das Gelächter verstummte, und Salias Miene wurde ernst, dennoch schüttelte sie trotzig den Kopf. »Niemand streitet ab, dass wir uns verteidigen müssen. Aber wir können das auch, ohne Euch den Oberbefehl über die vereinigten Streitkräfte der Gilden zu erteilen. Wir haben diesen Fehler schon einmal gemacht, wisst Ihr noch? Ihr habt euch drei Jahre Zeit gelassen, um uns unsere rechtmäßige Autorität zurückzugeben.«
»Hätte ich es am Ende nicht getan«, brauste Lorum auf, der mit seiner Geduld am Ende war, »befänden wir uns jetzt nicht in einer solchen Notlage!« Er atmete langsam aus, zwang sich zur Ruhe und verschränkte erneut die Hände hinter seinem Rücken. »Aber das alles liegt hinter uns«, sagte er gelassen. »Wollt Ihr Eure Entscheidung nicht noch einmal überdenken, angesichts der Bedrohung, die Audriss darstellt?«
»Nein, wie wir Euch bereits mehrfach gesagt haben, Euer Gnaden«, erwiderte Salia.
»Was ist mit Corvis Rebaine? Sicherlich räumt Ihr ein, dass es notwendig ist, sich gegen den Schrecken des Ostens zu vereinen!«
»Rebaine!«, höhnte die Priesterin, deren abfälliger Tonfall sich in dem Murmeln der Umstehenden zu spiegeln schien. »Wir alle haben von dem Gerücht gehört. Es gibt etliche«, fuhr sie verschlagen fort, »die Euch beschuldigen, es selbst in die Welt gesetzt zu haben, um Eurer Sache mehr Nachdruck zu verleihen. Ich persönlich mochte das zwar nie glauben, aber ich finde, Ihr solltet es zumindest wissen. Wenn Ihr weiterhin auf Eurer Forderung besteht, verliert Ihr möglicherweise auch die letzte Unterstützung, die Ihr noch habt. Ich … Was ist das?«
Sie starrte wie die gesamte Versammlung auf den mattschwarzen Gegenstand, den Rheah Vhoune aus dem Nichts hervorgeholt zu haben schien und in die Hand des Regenten legte. Lorum grinste grimmig, als er ihn über den Kopf hob, damit alle ihn sehen konnten.
Es war ein dunkler, metallischer Gegenstand, aus dem ein gelber Knochenstachel ragte: das Ebenbild des Schulterpanzers, den Espa von den Zinnen in Pelapheron hinabgeschleudert hatte.
»Gibt es jemanden unter uns«, erkundigte sich Lorum schlicht, »der nicht weiß, was das hier ist?«
Wäre das Schweigen noch drückender geworden, wären dem Herzog zweifellos die Trommelfelle geplatzt.
»Gibt es jemanden unter uns«, setzte er erneut an, diesmal mit metallisch klingender Stimme, »der allen Ernstes glaubt, ich oder Lady Rheah würde etwas von dieser immensen Bedeutung vortäuschen?«
Die Versammelten musterten sich verstohlen. Einige unter den Anwesenden waren misstrauisch genug, um genau das zu glauben. Aber keiner von ihnen war bereit, seinen Verdacht laut zu äußern, schon gar nicht als Erster. Also wich jeder den flehentlichen Blicken seines Nebenmannes aus, und im Saal herrschte Schweigen.
»Rebaine war hier!«, erklärte Lorum, dessen Stimme durch den Raum dröhnte. Er unterstrich seine Worte nachdrücklich mit der rechten Hand, als wollte er die Luft seinem Willen unterwerfen. »Und zwar als Gefangener im Verlies unter meiner eigenen Burg!«
Das Schweigen wurde von jähen Ausrufen, Flüchen, Fragen und Forderungen zerrissen.
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