Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
hervorgebracht hatte. Elegante Bögen, feingliedriges Mauerwerk und hohe Giebel; von all dem war nicht mehr geblieben als glühende Haufen verbrannten Holzes und Berge von Schutt. Allein die Halle war im Wesentlichen unbeschädigt davongekommen.
Das vornehme Bauwerk stand jetzt überwiegend leer. Die zentrale Kammer, obwohl einst Schauplatz ständiger und höchst komplizierter Verhandlungen zwischen den Gilden und den Adelshäusern, war nur noch eine Ruine. Zerborstenes Glas und Holzsplitter übersäten den Boden, und der Eichentisch, der zweihundert Jahre lang treue Dienste geleistet hatte, war von übereifrigen Soldaten in kleinste Teile gehackt worden. Der Zustand der Privatgemächer war keinen Deut besser. Vom Erdgeschoss bis unters Dach waren sämtliche Möbel zertrümmert, Spiegel und Gläser zerbrochen und alles auch nur im Entferntesten Wertvolle geplündert worden.
Lediglich im Erdgeschoss herrschte noch so etwas wie Leben. Aus einer Kammer, die normalerweise als Lagerraum genutzt wurde, drangen höchst sonderbare Geräusche: Neben einem leisen, furchtsamen Wimmern und verzweifeltem Gemurmel war gleichzeitig eine Reihe seltsam rhythmischer Schläge zu vernehmen.
In dem Raum, gut ausgeleuchtet von zahlreichen Öllampen, drängte sich die Elite der Stadt. Frauen, Kinder und einige Ältere aus den Adelshäusern pressten sich an die Wände. Die Menschen waren kreidebleich vor Furcht, viele schluchzten, Mütter drückten schützend ihre Kinder an sich. Neben ihnen lagen die Ältesten des Konzils der Gilden auf dem Boden ausgestreckt. Sie waren zu betagt für die Aufgabe, die man ihren jüngeren Kollegen anvertraut hatte. Etliche Besatzungssoldaten schlenderten umher, ohne auf die Gefangenen zu achten.
In der Mitte des Raumes klaffte ein riesiges Loch im Boden, als hätte Daltheos, der Schöpfer, seinen großen Hammer in die Erde gerammt. Just aus diesem Loch drangen die sonderbaren Schläge.
Ein Mann mittleren Alters stieß sich von der Wand ab, ohne seinen misstrauischen Blick von dem nächststehenden Wachsoldaten zu nehmen, und schlenderte zu einem weißhaarigen Gefangenen hinüber. Das Gesicht des deutlich Älteren war schweißbedeckt, und er musterte den Jüngeren finster. »Was willst du, Bennek?«
Bennek, Fürst von Prace, starrte ebenso düster zurück. »Ich will wissen, Jeddeg, wie du das zulassen konntest.«
»Wie bitte?« Die Miene des älteren Mannes veränderte sich kein bisschen, aber sein Blick wurde kalt. Er stand auf, rasch, wenn auch ein wenig unsicher, und sah seinem Ankläger in die Augen. Die Hände etlicher Wachsoldaten zuckten zu ihren Waffen, doch sie machten keine Anstalten, sich einzumischen. »Inwiefern soll das bitte schön mein Fehler gewesen sein?«
Bennek hielt dem anderen einen Finger vor die Nase. »Es war der Fehler von euch allen! Vom gesamten Konzil! Wir wussten, dass er kommen würde! Uns allen war es klar! Wir haben die Gilden gebeten, wir haben euch angefleht, die Mittel zur Verfügung zu stellen, unsere eigenen Armeen auszurüsten! Aber ihr habt euch geweigert!«
»Wir von den Gilden haben getan, was wir konnten«, erwiderte Jeddeg. Seinem Tonfall war zu entnehmen, dass er diese Auseinandersetzung schon mehr als ein Dutzend Mal geführt hatte. »Woher hätten wir wissen sollen, dass wir es mit so vielen von ihnen zu tun bekommen würden? Außerdem habe ich niemanden von den vornehmen Familien an der Verteidigerfront reiten sehen, oder irre ich mich da?«
»Du Mistkerl, ich werde …«
»Würdet ihr jetzt endlich aufhören?«
Daraufhin herrschte Schweigen.
Tyannon, die älteste Tochter des Barons von Braetlyn, blinzelte verwirrt, ebenso überrascht von ihrem Ausbruch wie die anderen. Mit ihren fünfzehn Jahren stand sie, wie es den Sitten in Imphallion entsprach, erst an der Schwelle des Erwachsenenlebens und war daran gewöhnt, wie ein Kind behandelt zu werden. Normalerweise hielt sie sich im Hintergrund, wie es sich für ein artiges Mädchen gehörte. Die Zunge klebte ihr am Gaumen, als ihr klar wurde, dass sie soeben zwei der bedeutendsten Männer von Denathere angeschrien hatte.
»Hast du etwas zu sagen, mein Kind?«, wollte Jeddeg wissen.
Nervös zerknüllte sie den Saum ihres schmutzverkrusteten Kasacks. »Das heißt … ich …«
Da trat ihr kleiner Bruder Jassion zögernd vor und packte ihre Hand mit seiner winzigen Faust. »Tyannon böse?«, fragte er. Seine ruhige Stimme klang noch zarter als sonst.
Sie holte tief Luft und drückte seine Hand.
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