Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
nur um die schlichte Frage.
»Wird sie sich erholen?« Eine andere Stimme, ebenfalls vertraut, wenngleich nicht so sehr wie die erste. Jünger. Und weit bekümmerter. Furchtsam. Das Klappern kommt vermutlich von seinen Händen, die er in gepanzerten Handschuhen ringt.
»Woher soll ich das wissen? Was verstehe ich denn schon von Magie? Ich weiß nicht einmal, was mit ihr passiert ist! Ich …«
Langsam öffnete sie die Augen und wappnete sich gegen den stechenden Schmerz, den ihr, wie sie wusste, das Licht bringen würde.
»Wasser«, krächzte sie.
Eine Hand und ein kräftiger Arm glitten in ihren Rücken, halfen ihr in eine sitzende Position, und sie spürte ein Glas an den Lippen. Das Wasser war lauwarm und von Staub und Schmutz durchsetzt, dennoch trank sie gierig. Mit jedem Schluck ließ der brennende Schmerz in ihrem Hals nach, und der Oger in ihrem Schädel beendete endlich den feierlichen Tanz, den er auf ihren Hirnzellen vollführte.
»Geht es dir gut?«
Ihr wurde bewusst, dass Nathaniel sie festhielt. »Gleich, einen Moment noch. Danke«, fügte sie, an Lorum gerichtet, hinzu, der das Glas hielt.
Der junge Mann trat zurück und lächelte.
»Was ist passiert?«, wollte der Ritter wissen.
Rheah stand vorsichtig auf und lehnte sich leicht an die Schulter ihres Freundes. »Ich wurde entdeckt und mein kleiner Helfer ermordet. Es war eine recht unverblümte Demonstration von Macht, wohlgemerkt.«
»Von Macht?«, erkundigte Lorum sich zögernd. »Hätten sie nicht auch einfach drauftreten oder ihn zerquetschen können?«
»Vermutlich schon. Rebaine hat einen anderen Weg bevorzugt. Der Tod eines Trägers ist keine besonders angenehme Erfahrung.« Sie verzog das Gesicht und rieb sich die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand. Offenbar war der Oger in ihrem Kopf doch noch nicht ganz dahin.
»Euer Gnaden …«, warnte Nathaniel leise.
Der junge Mann runzelte die Stirn, nickte jedoch. »Rheah«, sagte er dann zögernd. »Ich will Euch unter den gegebenen Umständen nicht drängen, aber …«
»Dennoch«, fiel Rheah Vhoune ihm ins Wort, »wollt Ihr wissen, was ich herausgefunden habe.«
Der Regent nickte.
Sie seufzte und richtete sich mühsam auf. »Leider weniger, als ich gehofft hatte. Ich weiß, dass Rebaine ein Tunnelnetz entdeckt hat, eine Art Komplex von unterirdischen Räumen oder Katakomben unterhalb der Halle der Zusammenkunft.«
»Tunnel?«, fragte Nathaniel. »Wohin führen sie? Könnte er seine Truppen hindurchschleusen? Sind sie …?«
Rheahs erhobene Hand brachte ihn zum Schweigen. »Eile mir nicht voraus, Nathan. Nein, für Truppenbewegungen sind die Gänge nicht zu gebrauchen. Sie sind eng und scheinen nirgendwo hinzuführen. Er sucht vielmehr nach etwas dort unten, nach etwas Besonderem.«
Der junge Regent riss die Augen auf. »Wonach?«
»Das weiß ich nicht genau. Aber es muss etwas sein, für das es sich lohnt, seine gesamte Armee in die Falle einer fast nicht zu verteidigenden Stadt zu führen.«
Lorum und Nathaniel wechselten einen düsteren Blick. Der Regent wandte sich ab und blieb an der Wand des Zeltes stehen. Zerstreut legte er eine Hand auf den Tisch neben sich und trommelte mit den Fingern auf die Generalstabskarte. Sein Blick schien in die Ferne gerichtet, als wollte er in die Stadt schauen. »Wie nahe war er Eurer Meinung nach seinem Ziel?«
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, Euer Gnaden. Aber er machte den Eindruck, als wüsste er, wohin er ging. Wenn ich raten sollte, würde ich sagen, ziemlich nahe.«
»Dacht ich’s mir.« Lorum genehmigte sich den Luxus, noch ein wenig ins Leere zu starren, um die Konsequenzen seiner Entscheidung abzuwägen, die er, wie er wusste, unweigerlich treffen musste. Dann holte er tief Luft und drehte sich um.
»Wir dürfen ihm keine Zeit mehr lassen«, erklärte er entschieden.
Nathaniel war zwar aufgewühlt, dennoch beeindruckte ihn der junge Herzog, der allmählich in die Rolle hineinwuchs, die man ihm aufgebürdet hatte.
»Versammelt die Generäle und sagt ihnen, ihre Männer sollen Aufstellung nehmen. Wir greifen an, sobald sie fertig sind. Mögen die Götter wohlwollend auf uns herablächeln.«
Viele der Wachsoldaten und Gefangenen, trotz der gegenseitigen Verachtung vereint in ihrer Neugier, spähten angespannt über den Rand der Grube, in welcher Corvis Rebaine, der Schrecken des Ostens, vor über einer Stunde verschwunden war. Kein Geräusch drang aus dem schwarzen Loch, keine Bewegung war in der
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