Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
dass du wahrscheinlich nicht mehr hier wärst, wenn, oder besser, falls ich zurückkäme. Und nichts, nicht einmal die ganze Welt, wäre diesen Preis wert.«
Tyannon lächelte unter Tränen, und ihr Gesicht schimmerte in einem Glanz, der selbst die Sonne beschämt hätte, jedenfalls in Corvis’ Augen. »Komm«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ziehen wir dich wenigstens richtig an. So unordentlich kannst du nicht in den Krieg aufbrechen. Das wirft am Ende noch ein schlechtes Licht auf mich.«
Corvis unterdrückte ein Lächeln, bückte sich, um seinen Helm aufzuheben, und ließ sich von seiner Frau ins Wohnzimmer führen.
Etliche Minuten und einige Umdrehungen später fühlte Corvis sich immer noch leicht schwindlig, während Tyannon eingehend die Rüstung in dem flackernden Licht der Laternen überprüfte. Sie tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger ans Kinn. »Noch einmal«, befahl sie.
»Noch einmal? Liebste, mein Hintern hat sich in den letzten dreißig Sekunden nicht verändert, das verspreche ich dir. Ich …«
»Umdrehen.«
Corvis seufzte und drehte sich langsam um die eigene Achse. »Ich fühle mich wie ein Kreisel.«
Tyannon betrachtete ihn noch einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf. »Die Rüstung«, sagte sie so taktvoll, wie sie nur konnte, »ist nicht gerade neu.«
»Ich weiß, wie sie sich anfühlt.«
Aber als Corvis sein Spiegelbild in dem schwach erleuchteten Spiegel betrachtete, musste er zugeben, dass seine Frau recht hatte. Die Rüstung erfüllte zwar immer noch ihren Zweck, hatte jedoch ihre beste Zeit eindeutig hinter sich. Die Knochen waren zwar durch Magie gehärtet und gut erhalten, aber total vergilbt; der Stahl wies trotz sorgfältigem Polieren und Schleifen immer noch ein paar von den Roststellen auf, die er in der langen Ruhepause angesetzt hatte. Das Kettenhemd würde viel Öl brauchen, damit es wieder ganz flexibel wurde, und der Umhang war von etlichen Mottenlöchern durchsetzt, die zu flicken sicher eine Weile dauern würde.
»Sie passt wirklich zu mir«, sagte Corvis müde. »Älter, ein bisschen mitgenommen und vielleicht nicht mehr ganz so schick, wie sie einmal war, dafür aber gesund und widerstandsfähig. Ich würde sagen, sie hat an Charakter gewonnen, findest du nicht?«
Tyannons Augen flammten beunruhigend auf, und Corvis, der in vielerlei Hinsicht ein sehr kluger Kriegsfürst gewesen war, kam zu dem Schluss, dass es Zeit wurde, seine Strategie zu ändern.
»Dann schnappe ich mir eben ein Tuch und poliere sie.«
»Mach das.«
Die ersten grauen Streifen schimmerten sanft am westlichen Himmel, als die beiden gemeinsam die Rüstung gereinigt und so poliert und geflickt hatten, dass ihr Zustand laut Tyannon passabel war. Corvis stand auf, von Kopf bis Fuß in die Kriegskluft gehüllt, und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Seine Frau biss sich nachdenklich auf die Fingerknöchel und trat zur Seite.
Die Rüstung sah fast genauso aus wie früher. Nur ein äußerst aufmerksamer Zeitzeuge hätte den winzigen Unterschied bemerkt: das Fehlen der Kette mit dem Anhänger, der in Corvis’ gewalttätigeren Zeiten immer von seinem Hals gebaumelt hatte.
»Sie sieht absurd aus!«, entfuhr es Corvis.
»Das stimmt. Aber wenigstens ist sie jetzt sauber.« Tyannon schien seine Miene zu spüren, obwohl sie sein Gesicht nicht sehen konnte. »Ich glaube, sie wird ihren Zweck erfüllen«, setzte sie hinzu. »Sie mag uns merkwürdig vorkommen, aber für jeden, der dich nicht so gut kennt wie ich … für die Leute da draußen bist du immer noch der Schrecken des Ostens.«
Corvis zuckte bei dem Beben in ihrer Stimme zusammen. »Und das bekümmert dich.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
»Sollte es mich nicht bekümmern? Ich kann mich noch gut an das erste Mal erinnern, als ich dich in diesem Ding gesehen habe. Wie sehr du dich auch verändert hast, diesen Anblick werde ich niemals vergessen.«
»Ich weiß. Es tut mir leid.«
Sie lächelte ihn an, fast unmerklich. »Das haben wir alles mehrfach besprochen. Es ist sinnlos, es noch einmal von vorn durchzukauen, vor allem jetzt. Wann …« Sie schluckte. »Wann musst du weg?«
Corvis betrachtete lange den Himmel draußen vor dem Fenster. »Nicht vor morgen, frühestens. Vielleicht auch erst übermorgen. Ich muss ein paar Vorräte zusammenpacken, einige Karten studieren …«
»Gut«, sagte Tyannon leise. »Dann haben wir ja noch etwas Zeit.«
Die Kinder waren noch immer erschöpft von der harten
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