Die Horde 1 - Der Daemon des Kriegers
um sein Leben bangte, sondern er zeigte auch keinerlei Anzeichen von Furcht.
Der Kerl muss verrückt sein, dachte Davro. Es ist nicht ehrenvoll, einen Wahnsinnigen zu töten. Ich werde ihm noch eine Chance geben.
»Verschwinde von hier!«, knurrte der Oger. Seine Stimme war tief und rau, und seine Worte klangen ein wenig undeutlich, weil sein Mund für die Sprache der Menschen nun mal nicht gemacht war. »Du bist hier nicht willkommen, Mensch! Wenn du bleibst, dann nur als mein Abendessen!«
»So theatralisch, Davro?«, erwiderte der Fremde und lächelte tatsächlich. »Ist das die angemessene Art, einen alten Freund zu begrüßen?«
Zunehmend verwirrt ließ Davro den Speer sinken und blickte auf den Fremden hinab. »Freund? Ich glaube kaum, dass ich dich kenne, Mensch …«
»Und ob du das tust. Außerdem würdest du mich sowieso nicht essen. Du hast mir einmal erzählt, dass du den Geschmack von Menschenfleisch verabscheust. Aus diesem Grund hast du es auch immer deinen Leutnants überlassen, nach der Schlacht aufzuräumen.«
Allmählich dämmerte es Davro. Das Gesicht des Mannes und seine Statur kamen ihm zwar nicht bekannt vor, aber die Stimme … Er kannte diese Stimme, obwohl er sie nicht genau zuordnen konnte.
Der Oger spannte sich erneut an und hob den Speer, als der Mann nach seinen Satteltaschen griff. Aber statt der großen Streitaxt holte der Mensch etwas heraus, das wie ein Schädel aussah. Davro legte verwirrt die Stirn in Falten und schaffte es gerade noch, den Schädel aufzufangen, den der Mensch ihm zuwarf.
»Vielleicht hilft das deinem Gedächtnis auf die Sprünge.«
Davro starrte auf den Schädel in seiner Hand. Nein, es war kein Schädel, sondern ein Helm. Plötzlich riss er die Augen auf, und ihm stockte der Atem. Er spürte, wie seine Finger schlaff wurden, als gehorchten sie ihrem eigenen Willen, und hörte, gleichsam aus weiter Ferne, wie sein Speer zu Boden fiel.
»Lord Rebaine …«
»Also versuchst du nicht mehr, Imphallion zu erobern?«, fragte Davro vielleicht zum vierten Mal. Der Oger schien Schwierigkeiten mit diesem Gedanken zu haben.
Sie saßen inzwischen gemütlich im Haus. Davro hockte auf dem Baumstumpf, Corvis auf der dicken Matratze, die unangenehm nach ungegerbten Häuten stank. Jeder hatte einen Krug mit Brühe vor sich stehen. Corvis hatte seinen eigenen Krug aus einer der Satteltaschen geholt und darauf bestanden, dass der Oger sich einen Moment Zeit ließ, seinen Schreck zu überwinden, bevor er ihm den Grund für sein unverhofftes Auftauchen erklärte. Er sagte ihm sogar, er solle zuerst die Schweine füttern, die mittlerweile wütend quiekten, weil ihr Abendessen nicht zur gewohnten Zeit kam.
Dann hatte er Davro die Kurzversion seiner Geschichte erzählt: seine Flucht aus dem Untergeschoss der Halle der Zusammenkunft damals in Denathere, seine Jahre mit Tyannon und vor allem den Angriff auf Mellorin.
»Nein«, sagte Corvis erneut, ohne ein Lächeln unterdrücken zu können. »So schockierend es auch klingen mag, ich habe nicht vor, eine Stadt zu erobern. Ich will einfach nur Audriss an seinem Vordringen hindern, während ich zugleich eine Familie und ein Heim zu schützen habe.«
»Du könntest einen Handel mit ihm abschließen«, schlug Davro vor. »Er muss doch wissen, dass du niemand warst, ich meine, niemand bist, mit dem man sich anlegen sollte. Fordere ihn einfach auf, dein Dorf … Wie heißt das Kaff noch? Chelenshire? Bitte ihn, Chelenshire zu verschonen, und lass ihn ansonsten gewähren.«
»So einfach ist das nicht, Davro. Ich weiß, was für ein Typ Mensch Audriss ist. Eine solche Bitte wäre nur eine Herausforderung, er würde sich in seiner Autorität untergraben fühlen. Nein, er muss aufgehalten werden, für immer. Und das kann ich nicht alleine.«
Davro atmete langsam aus, und Corvis brauchte einen Moment, bis er begriff, dass dieses Geräusch nur ein ogrischer Seufzer war.
»Es tut mir leid, dass ich dich enttäuschen muss, nachdem du den langen Weg bis hierher gekommen bist. Aber du bist nicht mehr mein Lord, Rebaine. Ehrlich gesagt habe ich seit Jahren nicht mehr an dich oder den Krieg gedacht, und ich habe nicht die Absicht, jetzt wieder damit anzufangen. Du musst dir jemand anders suchen, der dir hilft.«
Mit seinem einen Auge blickte er Corvis entschlossen an. Offenbar war es dem Oger vollkommen ernst und er war bereit, seine Haltung stur zu verteidigen.
»Ich habe dich nie für einen Bauern gehalten, Davro. Du musst dich doch zu
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