Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
Kobolds. Gork achtete nicht mehr auf eventuelle Holzsplitter, die sich ihm ins Bein bohren konnten, riss den Fuß durchs Loch und humpelte fort. Zwar blutete er aus der Wade, aber das erschien ihm als kleiner Preis für die neu gewonnene Bewegungsfreiheit. Er hatte sich sieben oder acht Schritte vom Gebäude entfernt und um die kleinen Wunden in der Wade gekümmert, als seine Gefährten herbeieilten.
»Was zum Teufel ist passiert, Kurzer?«, fragte Cræosh.
Gork richtete sich zu seiner vollen Größe von gut einem Meter auf. »Ich war dabei, die Eingangstür zu untersuchen, was Jhurpess und Fezeill offenbar nicht für nötig hielten«, sagte er und deutete auf das große Portal.
»Wir haben unsss dasss Gebäude dessshalb nur kurz angesssehen, weil wir euch sssofort benachrichtigen wollten«, protestierte Fezeill.
»Ja, klar«, sagte Gork. »Nun, seht ich das Loch da? Unten im rechten Türflügel? Ich hab den Arm hindurchgestreckt, um nach dem Riegel zu greifen, als mich etwas von der anderen Seite her packte.«
»Und dann hast du geschrien, du kleines Weichei?«, fragte Cræosh.
»Was? Nein, ich war das nicht! Ich hab den Arm natürlich zurückgerissen, und dadurch scheint das, was sich da drin befindet, erschrocken zu sein, denn es begann zu schreien. Ich wich von der Tür zurück, und dann seid ihr gekommen.«
Katim trat zur Tür und sah sie sich aus der Nähe an. Sie bemerkte die fehlende Angel, schnüffelte am Loch und sprach kein Wort, aber es entging Gork nicht, dass sie ein Kichern unterdrückte.
»Na schön«, sagte Cræosh. »Mal sehen, was du ›erschreckt‹ hast. Belrotha?«
»Ja?«
»Klopf für mich an.«
Beide Türflügel krachten ins Innere des Gebäudes und blieben dort als ein Haufen verfaultes Holz liegen. Cræosh und Katim waren die Ersten, die mit gezogenen Waffen durch die Öffnung traten, und der Rest des Korps folgte ihnen.
Direkt vor ihnen, fast unter dem verrotteten Holz des Portals begraben, saß …«
»Was das ist?«, fragte Jhurpess verwirrt.
Das Geschöpf war nicht einmal halb so groß wie Gork und von weichen grünbraunen Schuppen bedeckt. Ein kleiner Schwanz zuckte; Beine und Arme zitterten. Das kleine Wesen glotzte zu ihnen hoch und begann mit einem lauten Wimmern.
Cræosh blickte auf die Kreatur hinab und richtete seinen Blick dann auf den Gestaltwandler. Hab ich’s mir doch gedacht.
»Ich schätze, dies ist ein Troglodytenkind«, teilte er dem Korps mit.
Gimmol saß wieder auf Belrothas Schulter und fragte: »Aber wenn es ein Kind ist, wo sind dann seine …«
Lautes Zischen hallte plötzlich durch den Raum, wie von einem ganzen Heer zorniger Teekannen.
»… Eltern?«, beendete Gimmol den Satz.
Katim neigte den Kopf zur Seite und lauschte dem Zischen. »Und die Onkel, Tanten … Brüder, Schwestern, Kusins … Großeltern …«
»Ich glaube, draußen sind wir besser aufgehoben als hier drinnen«, sagte Cræosh.
Die Korps-Soldaten liefen zur Tür, blieben dann aber abrupt stehen.
»Ja«, brummte Cræosh und schüttelte den Kopf. »Das hätte ich mir denken können.«
Weder das Korps noch die zwei Dutzend mit Schwertern und Keulen bewaffneten Troglodyten hielten es für erforderlich, eine Antwort zu geben.
Einige der Reptilienmänner wichen beiseite und machten einen Weg frei, der von den Bäumen zur Bibliothek führte. Ein einzelner Troglodyt, der stark hinkte und einen großen Ast als Krücke benutzte, näherte sich langsam durch das improvisierte Spalier.
»Wenn wir den Anführer erledigen, geben die anderen vielleicht auf«, sagte Gork leise.
»Oder sie beschließen, uns dieses Gebäude in den Hintern zu schieben«, erwiderte Cræosh. »Also halt die Klappe.«
Der alte Troglodyt – und er war alt, darauf wiesen nicht zuletzt die Schuppen hin, die ihren Glanz verloren hatten und schlaff herabhingen – blieb eine Armeslänge entfernt stehen. Womit die Länge von Belrothas Armen gemeint war.
Zuerst galt seine Aufmerksamkeit allein Fezeill. Er neigte den Kopf, schnupperte einige Male und ließ sogar seine schlangenartige Zunge in Richtung des Gestaltwandlers tasten.
»Du sssiehst ausss wie wir«, zischte er auf Gremlisch. »Aber du gehörssst nicht zu unsss.«
Langsam, um die Troglodyten nicht zu erschrecken, verwandelte sich Fezeill zum ersten Mal seit Tagen. Seine Schuppen schienen zu schmelzen und wichen rosaroter Haut, die sich wie ein Mantel um ihn legte. Aschblondes Haar wuchs aus dem kahlen Kopf, und da stand wieder der Mensch, als den das
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