Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
einen Kommentar.
Der Turm erbebte erneut; mehr Staub rieselte, und erste Steine fielen. Ein Knirschen und Knacken kam von der Wendeltreppe, und Risse entstanden in den Stufen.
»Wir schaffen es nie rechtzeitig bis ganz nach unten!«, rief Fezeill.
»Das brauchen wir auch nicht!«, erwiderte Gork. »Folgt mir! Ich habe einen Plan!«
Um sie herum schüttelte sich der Turm, als das Korps die Treppe hinunterlief.
Belrotha bückte sich vor den Steinplatten, die den Ausgang blockierten – zum ersten Mal in ihrem Leben versuchte sie, in Deckung zu gehen. Besonders gut gelang ihr das nicht.
Vor ihr, in der Mitte des Raums, kniete Königin Anne und sah zum zornigen Gesicht ihres Herrn und Geliebten hoch. Mehrmals öffnete sie den Mund, um zu sprechen, und jedes Mal erbebte der Turm, als wollte er sie daran hindern, auch nur einen Ton von sich zu geben.
Und dann, nur für einen Moment, hörten die Erschütterungen auf. »Wolltest du meinen Platz einnehmen?«, fragte Morthûl schließlich, und selbst Belrotha war von der Veränderung in seiner Stimme verblüfft. Kein Zorn mehr, weder Wut noch Empörung, nur kalte Neugier, eine Müdigkeit, die über das Verständnis von Sterblichen hinausging … Und vielleicht auch ein vages Echo von etwas, das in einem vergangenen Leben Schmerz gewesen sein mochte. »Hat es dir nicht gereicht, den Thron mit mir zu teilen? Wolltest du ihn ganz für dich allein?«
»Gebieter und Gemahl, nein!« Tränen rannen der Königin über die Wangen. Tränen! Von Königin Anne? »Das wollte ich nicht! Ich habe mir nur gewünscht, an deiner Seite zu regieren, für immer, wie es uns bestimmt ist! Ich dachte …«
»Du hast was gedacht, Anne? Dass ich dies willkommen heißen würde?«
»Ja«, flüsterte sie. »Gerade jetzt, nach dem Versagen deines großen Zaubers und vor dem Krieg … Ich dachte …«
»Nein. Nie. Warum habe ich dir den Zauber nie angeboten? Dies war die eine Sache, die ich unter allen Umständen vermeiden wollte.«
Langsam, fast sanft, sank der Herr der Eisernen Burg auf die Knie und umfasste das Gesicht der Königin mit beiden Händen. Sie schloss die Augen, als er sie berührte, und ein leises Stöhnen kam von ihren Lippen. »Derzeit möchtest du neben mir sitzen, meine Königin, aber nach einer Weile würde dir das nicht mehr genügen. Das weiß ich genau, Anne. Ich weiß es mit absoluter Gewissheit. Und ob es heute, morgen oder in Jahrhunderten geschähe – ich kann es nicht zulassen.
Macht liegt in dieser Gestalt, meine Königin. Eine Macht, die an die der Götter heranreicht.« Die Haut in der einen Gesichtshälfte des Leichenkönigs straffte sich kaum merklich. Anne öffnete abrupt die Augen; vielleicht begriff sie plötzlich, was ihr bevorstand. »Und wenn man ein Gott ist, Anne … Dann gibt es nur Sicherheit, solange man der einzige Gott bleibt.«
Diesmal gab es keine Magie, keinen Zauber, keine Beschwörungen. Morthûl griff nur fester zu und drehte den Kopf der Königin. Das laute Knacken wies nicht nur auf ein gebrochenes Genick hin, sondern auch darauf, dass die letzte Verbindung des Leichenkönigs mit der vor langer Zeit verlassenen Welt der Menschen riss.
Langsam und vorsichtig, wie um sie nicht zu verletzen, ließ er Königin Anne zu Boden sinken. Er streckte sogar die knöcherne Hand aus, um ihr die Augen zu schließen. Dann erhob er sich mit einem leisen Seufzen.
»Hast du alles gesehen, Ogerin?«, fragte er ruhig.
Belrotha kam hinter der Steinplatte hervor und versuchte, nicht zu zittern. »Ich gesehen und gehört«, antwortete sie nervös. »Aber ich nicht verstehen.«
»Wirklich nicht?« Morthûl trat über Steine und Schutt hinweg zum Seziertisch, beziehungsweise dorthin, wo der Tisch zertrümmert worden war. Sein Blick verharrte kurz auf den Resten, und dann – als hätte er in Erfahrung gebracht, was er wissen wollte – wandte er sich wieder der Ogerin zu. Hinter seinem wogenden Mantel sah Belrotha einen halb zermalmten Fuß, der unter einigen Steinen hervorragte. »Und was hast du nicht verstanden?«
Belrotha mochte schwer von Begriff sein, aber sie ahnte, dass sie hier auf dünnem Eis stand. Andererseits konnte sie die Frage nicht einfach ignorieren. »Warum Ihr töten Königin Anne?«
Falten bildeten sich in der Stirnhälfte des Dunklen Lords, die noch von Haut bedeckt war. »Hast du nicht gehört, was ich ihr gesagt habe?«
Belrotha atmete noch einmal tief durch. »Ich regieren Itho zwei Jahreszeiten. Ich wissen, was bedeuten Regieren
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