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Die Horde - Die Schlacht von Morthûl

Die Horde - Die Schlacht von Morthûl

Titel: Die Horde - Die Schlacht von Morthûl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ari Marmell
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waren. »Nur um eine andere Zahl zu nennen.«
    Es verstrichen genau sechs Minuten und dreiundvierzig Sekunden, bis der große Mann wieder in der Tür des Tempels erschien. Seine Fäuste waren so fest geballt, dass Cræosh glaubte, das Knacken und Knirschen der Knöchel trotz der vielen murmelnden Stimmen ringsum zu hören. Einer der Wächter erschien hinter Bekay und flüsterte ihm etwas zu, verschwand dann in den Schatten der Kapelle – eine kurze Armbewegung des Hünen hatte ihn von den Beinen gerissen und zurückgeworfen. Dann kam der Krieger die Treppe herunter, wobei er starr nach vorn blickte, stieß alle Leute beiseite, die ihm nicht rechtzeitig Platz machten, und geriet hinter der nächsten Ecke außer Sicht.
    »Gork«, flüsterte Cræosh so laut, wie er es wagte. »Gork!«
    Der Kobold erschien wie aus dem Nichts, nickte unter seiner Kapuze und machte sich daran, Bekay zu verfolgen.
    Dies war eine der Hauptstraßen von Brenald, und trotz des regen Verkehrs herrschte auf ihr nicht ganz so dichtes Gedränge wie vor dem Tempel. Dennoch beeilten sich die Leute, Bekay Platz zu machen. Selbst jene, die noch nichts vom schrecklichen Mord im Tempel gehört hatten, verstanden Bekays finstere Miene als einen deutlichen Hinweis darauf, dass man diesem Mann besser aus dem Weg ging. Gork fiel es nicht leicht, ihm zu folgen; zwar gab es hier weniger Beine, denen er ausweichen und zwischen denen er hindurchschlüpfen musste, aber diese Beine waren in ständiger Bewegung. Hinzu kam, je weiter er sich vom Tempel entfernte, desto weniger taugte die Kutte als angemessene Verkleidung.
    Andererseits … Er war Gork – Gork der Schlaue und Gewiefte (zumindest seiner eigenen Meinung nach), Gork der Meisterdieb, und auf der ganzen Welt gab es keine Menge mit genug Augen, um ihn zu entdecken, wenn er unentdeckt bleiben wollte. Zwar hörte er hier und dort einen Fluch, bekam gelegentlich eine baumelnde Schwertscheide ins Gesicht und verfing sich ein- oder zweimal in langen Röcken, doch es gelang ihm, Bekay im Auge zu behalten, bis er schließlich die Straße verließ und durch die Tür eines eher schäbig wirkenden Gebäudes trat.
    Es war ein heruntergekommener, schmutziger Schuppen, erbaut offenbar von einem Betrunkenen, der sich in seinem Wahn für einen Zimmermann gehalten hatte. Wie ein auf Almosen hoffender Bettler hockte es an der Straßenseite. Die Tür passte nicht ganz in den Rahmen, und in den Fenstern hing fleckiges Pergament, das den Eindruck erweckte, als sei es zum Putzen alter Nachttöpfe verwendet worden. Durch eine dieser Öffnungen beobachtete Gork, wie eine massige Gestalt, vermutlich Bekay, den Schankraum durchquerte und sich an die Theke pflanzte, die so lang war wie der ganze Raum.
    Gork trat zurück, hielt nach einem Schild Ausschau und fand es direkt über seinem Kopf: ein kurzes Brett, das an einer rostigen Eisenstange hing.
    Es zeigte die stilisierte Darstellung eines Geschöpfs, das eine gewisse Ähnlichkeit mit Gork aufwies, wenn man es aus dem richtigen Blickwinkel betrachtete: ein umhertollendes Wesen, das eine Knie über die Taille erhoben, während es auf den Zehen des anderen Fußes balancierte. Unter dem Bild stand der Name der Schenke für den Teil der Bevölkerung, der lesen konnte.
    Gork konnte natürlich nicht lesen, aber er brauchte nur einige Minuten in der Nähe zu warten, bis er einen Passanten den Namen aussprechen hörte.
    Zum Hüpfenden Kobold.
    Gorks linkes Lid begann zu zucken.
    Als er sich noch fragte, ob er hineinstürmen und allen Anwesenden die Kehle durchschneiden oder die Schenke einfach niederbrennen sollte, ertönte Geschrei in der schäbigen Taverne. Die meisten Worte verstand Gork nicht, aber eins übertönte alle anderen: »Raus!« Die Tür flog auf, und ein dichtes Gedränge aus halb betrunkenen Gästen hatte es sehr eilig, die Taverne zu verlassen. Ihr gemeinsamer Atem reichte fast aus, Gork einen Schwips zu bescheren. Als der Wirt den Gästen folgte, in der einen Hand den Humpen, den er geputzt hatte, musste der Kobold grinsen.
    Sie machen es uns immer wieder so leicht …
    Er beobachtete und wartete noch einige Minuten, verborgen im Schatten einer Tür auf der anderen Straßenseite. Bekay blieb in der Taverne, durch das Pergament-Fenster als vage Silhouette zu erkennen, mit einem ganzen Fass Bier vor sich auf der Theke. Gelegentlich betrat ein potenzieller Gast die Taverne und näherte sich, entweder erschreckend unachtsam oder katastrophal dumm – dem sitzenden

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