Die Horde - Die Schlacht von Morthûl
den Tempel.
Das Korps war gerade in der Menge untergetaucht, als die Stadtwache eintraf: Ein Dutzend Wächter mit Schwertern in den Händen kam im Laufschritt um die nächste Ecke. Ihre Stiefel klackten auf den Stufen, als sie die Treppe hocheilten. Vor ihnen schwang die Tür auf, und eine Flut von Gemeindemitgliedern strömte ihnen entgegen. Die Wächter versuchten nicht, sich einen Weg durch das Gedränge zu bahnen, sprangen stattdessen beiseite und ließen die Leute passieren. Erst dann setzten sie den Weg durch die große Doppeltür fort.
Einige von ihnen traten kurze Zeit später wieder nach draußen, die Gesichter blutleer, und ein oder zwei übergaben sich. (Katim war besonders stolz auf ihre Idee, die Gedärme des Priesters so an die Wand zu kleben, dass sie das heilige, strahlenkranzförmige Symbol des Tempels nachbildeten, und später beharrte sie darauf, das Entsetzen der Menschen sei allein ihr Verdienst gewesen.) Die Soldaten bezogen vor der Treppe Aufstellung, angeblich zu dem Zweck, Schaulustige davon abzuhalten, den Tempel zu betreten. Einige sehr entschlossene Neugierige versuchten trotzdem, das Gebäude zu erreichen, das sie großspurig als »Eigentum des Volkes« bezeichneten. Doch als ein besonders gereizter Wächter einem von ihnen den Knauf seines Schwerts an den Kopf stieß, wichen die anderen zurück, weil sie fanden, dass die Soldaten ihren Standpunkt deutlich genug dargelegt hatten.
Menschen drängten sich zusammen, Stimmen murmelten, Füße scharrten, Soldaten schnitten finstere Mienen – die Minuten krochen so langsam dahin wie ein müdes Faultier. Cræosh begann sich Sorgen zu machen. Je länger dies dauerte, umso wahrscheinlicher wurde es, dass jemand die »neuen Mönche« bemerkte und sie mit dem in Zusammenhang brachte, was im Tempel geschehen war …
Plötzlich erklang eine donnernde Stimme hinter der Menge. Die Leute wichen nach rechts und links zur Seite, machten damit den Weg frei für jemanden, der sich dem Tempel näherte.
»Seht ihr?«, flüsterte Cræosh dem nächsten Korps-Mitglied zu, das zufälligerweise Katim war. »Ich wusste: Wenn wir lange genug warten …« Er schwieg, als die Gestalt an ihm vorbeitrat – der Boden schien unter ihren in Sandalen steckenden Füßen zu beben. »Ziemlich groß der Bursche, nicht wahr?«, bemerkte der Ork.
Der fragliche Mann war eigentlich nur so groß wie Cræosh, aber in Brust, Armen, Beinen und sogar im Hals steckten Felsen, die sich als Muskeln ausgaben. Seine dunkle Haut – zum größten Teil unbedeckt, denn abgesehen von den Sandalen trug er nur lederne Hosen und ein x-förmiges Wehrgehänge mit einer mächtigen Axt – wölbte sich bei jedem Schritt, bei jeder Bewegung, bei jedem Gedanken , wie es schien. Sein Spitzbart, die einzigen Haare an seinem Kopf, ragte nach vorn, als wäre er es und nicht die Stimme, die ihm einen Weg durch die Menge bahnte.
Wenn Havarrens Beschreibung nicht völlig danebenlag, musste dies Kuren Bekay sein, Verbündeter des enigmatischen Ananias duMark, einer der großen Helden, die König Morthûls frühere Pläne vereitelt hatten, und was von unmittelbarer Bedeutung war: ein alter Freund von Pater Thomas. Die Wächter wechselten einen zutiefst erschrockenen Blick, wichen ebenso schnell beiseite wie zuvor die Bürger und erlaubten ihm ungehinderten Zugang zum Tempel. Niemand wagte, sich über diese Ungerechtigkeit zu beklagen.
»Wie lange wird es dauern, was meinst du?«, fragte Cræosh leise.
Katim zuckte die Schultern, was der Ork nur bemerkte, weil ihre Kutte raschelte. »Etwa zwei Minuten … um den Raum zu erreichen … in dem wir Thomas zurückgelassen haben. Fast eine volle Minute … für Schock und Kummer. Weitere drei … die er dafür verwendet … gegen das Schicksal und die Götter zu wettern und … den Wächtern zu drohen, falls … sie die Mörder nicht schnell finden. Eine … weitere Minute, um … wieder nach draußen zu gelangen.«
»Du hast ihm zwei gegeben, um den Raum zu erreichen«, sagte Gork.
»Ja, aber auf dem Rückweg … ist er zornig und läuft.« In Gedanken wiederholte Katim die genannten Zahlen. »Sieben Minuten.«
Cræosh schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Ich kenne diesen Typ. Schock und Kummer überspringt er einfach und kommt sofort zum zornigen Gebrüll. Sechs Minuten, höchstens.«
»Acht«, sagte Gork und erschien kurz auf der anderen Seite des Orks, bevor er wieder in die Menge eintauchte, damit sie zusammen nicht zu auffällig
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