Die Horden der Schattenzone

Gudun und Gorma fanden sich wie auch Lexa und einige ihrer zwölf Amazonen bei der Ölschale ein.
    »Sie werden wieder angreifen«, sagte die Sittenwächterin, als Burra sich neben ihr Platz verschaffte. »Sie haben viel Zeit. Sie können uns aushungern oder warten, bis wir kein Feuer mehr haben.«
    Genau das traf es. Vorausgesetzt, die Dämonen schickten keine anderen Gegner, denen Licht und Feuer nicht soviel ausmachten wie den Shrouks, währte die trügerische Sicherheit nur so lange, bis die Fackeln und alles Öl niedergebrannt waren. Und dieser Augenblick ließ sich schon absehen.
    »Wir haben doch Silberpulver an Bord«, knurrte Burra. »Beim nächstenmal werden wir sie auch damit empfangen. Ich möchte sie rennen sehen, wenn das Pulver vor ihren Augen verpufft!«
    Aber auch damit war auf Dauer nichts gewonnen, und sie alle wußten es.
    Daß ihnen womöglich nicht einmal die Frist bis zum Erlöschen der Feuer blieb, wurde deutlich, als Gerrek einen Schrei ausstieß und erregt über die Bordwand deutete.
    »Sie kommen schon wieder!«
    Es waren nur drei, die sich aus dem Belagerungsring lösten und einen blitzschnellen Vorstoß wagten. Scida konnte den Kriegerinnen gerade noch eine Warnung zurufen, als auch schon schwere Steine auf das Deck niedergingen. Eine Amazone wurde an der Schulter getroffen.
    Als wieder die Pfeile schwirrten, waren die drei Shrouks längst wieder in Sicherheit bei ihren Artgenossen.
    »Kümmert euch um sie!« befahl Burra zwei Amazonen, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, daß die Schulterwunde der Verletzten nur halb so schlimm war wie befürchtet.
    Gerrek aber stand an der Bordwand und schüttelte nur den Kopf.
    »Habt ihr das gesehen?« fragte er, ohne sich umzublicken. »Diese drei waren anders als die anderen. Sie hatten etwas im Nacken sitzen.«
    »Was redest du da?« fuhr Lexa ihn an. »Keiner von ihnen sieht aus wie der andere.«
    »Mythor erzählte mir einmal von seinen Erlebnissen auf Tau-Tau, einer der tausend Inseln der Dämmerzone. Er wurde von Tukken angegriffen, als er in den Vulkan stieg.«
    Scida pfiff durch die Zähne.
    »Mir berichtete er auch davon. Jetzt begreife ich, was du meinst, Gerrek. Diese Klumpen im Nacken – das sind Fraße?«
    Der Mandaler nickte grimmig.
    »Fraße!«
    »Kann mir jemand sagen, wovon dieser Beuteldrache da redet?« fragte Lexa, ohne den Belagerungsring aus den Augen zu lassen.
    Burra lachte rauh.
    »Ich habe von ihnen gehört. Es sind Schmarotzer, die anderen Kreaturen in den Nacken springen und sich dort festsaugen. Auf ihrer Unterseite haben sie dazu eine mundartige Öffnung. Wenn jemand oder etwas vom Fraß befallen ist, sieht das aus, als hätte er einen Höcker mit einem Borstenkranz rundherum im Nacken.«
    »Und was die Fraße für uns so gefährlich macht, ist, daß sie ihren Opfern ihren Willen aufzwingen können.« Scida deutete mit einer Klinge auf zwei im Steinhagel abgebrochene Fackeln. »Sie geben ihnen eine gewisse Klugheit. Die drei Shrouks bewarfen uns nicht willkürlich. Sie hatten es auf die Fackeln und Ringe abgesehen.«
    Lexa war für einige Herzschläge sprachlos. Dann schüttelte sie heftig den Kopf und lachte unsicher.
    »Alte, du willst uns nicht etwa einreden, daß sie den Bestien auch die Kraft und den Mut verleihen, trotz des Feuers zu uns vorzudringen, oder?«
    »Genau das meine ich«, antwortete Scida tonlos. »Und sie können noch viel mehr tun. Wartet, nur ab. Wenn die Fraße sie steuern, sind sie nicht nur hirnlose Befehlsempfänger der Dämonen. Sie werden sich etwas ausdenken, um unsere Feuer zu beseitigen.«
    »Das ist doch lächerlich!« wehrte Lexa ab. Doch es klang alles andere als überzeugt.
    Und schon die nächsten Stunden sollten zeigen, wie recht Scida hatte.
    Daß offenbar nur einige wenige Shrouks einen Fraß mit sich schleppten, konnte da nur ein geringer Trost sein.
*
    Alle Amazonen außer der Verletzten blieben auf Deck. Burra hatte ihnen eingeschärft, noch besser als bisher die Shrouks im Auge zu behalten und sofort Alarm zu schlagen, sobald sich dort drüben etwas Ungewöhnliches tat.
    Sie selbst nutzte die Atempause bis zum nächsten Angriff, um Gudun und Gorma beiseite zu nehmen, während Lexa selbst mit Hand anlegte, als, ihre Amazonen begannen, die Luscuma von dem Geröll zu befreien. Burra ließ es geschehen. Unter den nun gegebenen Umständen hatte sie gar keine andere Wahl.
    Mythor und Fronja aufzugeben, war sie dennoch nicht gewillt.
    »Hört zu«, sagte sie zu den