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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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schlechtes Gewissen zu machen. Immer wieder mußte Brazil an Wests Vortrag über kaputte Beziehungen denken. Ihre Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Sie begleiteten ihn bei jedem Schritt, den er lief, und blinkten vor ihm in der Nacht, wenn er einzuschlafen versuchte.
    Seit Tagen hatte er West weder gesehen noch mit ihr gesprochen. Wie es ihr wohl gehen mochte? Warum hatte sie nicht mal wieder angerufen und sich mit ihm zu Schießübungen verabredet oder zu einer Streifenfahrt? Sie hätte auch einfach nur einmal »Hallo« sagen können. Er selbst allerdings war erstens auch nicht ganz mit sich im reinen und hatte zweitens keine Lust, auf jemanden zuzugehen. Er wollte gar nicht mehr wissen, wie seine Chancen noch standen. Von Hammer hätte er zumindest erwartet, daß sie sich für sein Portrait bedankte. Vielleicht war sie über irgend etwas sauer? Vielleicht hatte er was in den falschen Hals gekriegt. Er hatte diese Geschichte wirklich mit Herzblut geschrieben und so intensiv an ihr gearbeitet, daß er fast krank geworden war. Auch Panesa schien ihn zu ignorieren, gerade jetzt, da er anfing zu zeigen, was er drauf hatte. Wenn er selbst so wichtig wäre wie diese einflußreichen Leute, würde er gegenüber anderen sicher mehr Takt und Feingefühl aufbringen. Er würde sich in die Gefühle der kleineren Leute hineinzudenken versuchen und ihnen Mut machen, in dem er zum Telefonhörer griff und ihnen eine kurze Nachricht schickte oder sogar Blumen.
    West hatte Blumen. Doch die lagen in diesem Moment, von Niles zerfleddert, auf dem Eßtisch verstreut. Vorher hatte er schon den Abfalleimer im Badezimmer geleert und seinen Inhalt gleichmäßig über den Fußboden verteilt. Fast wäre sie nach dem Duschen mit nackten Füßen in den Müll gestiegen. Wests Laune schwankte ohnehin schon heftig. Die stürmischen Kontroversen um ihre verehrte Chefin ärgerten sie gewaltig. Wohin sollte das alles noch führen? An dem Tag, als Goode vorläufig die Geschäfte übernommen hatte, hatte West sich auf die Farm zurückgezogen. Sie wußte, daß Brazil Hammer privat so nahegekommen war, wie West das nie erlebt hatte. Das ist wieder mal typisch, dachte sie, während sie hinter Niles herschimpfte und den Badezimmerfußboden säuberte. Brazil hatte West nur dazu benutzt, um beim Chief einen Fuß in die Tür zu bekommen. Er hatte getan, als sei er ihr Freund, doch kaum sah er die Chance, an eine höhergestellte Persönlichkeit heranzukommen, ließ er nichts mehr von sich hören. Aber war das nicht der ganz normale Lauf der Dinge? Verdammter Mistkerl. Er hatte nicht angerufen und sich mit ihr zu einer neuen Schießübung oder einer Streifenfahrt verabredet. Es schien ihn nicht einmal zu interessieren, ob sie überhaupt noch am Leben war. In dem Moment, da West entdeckte, was von den Bludilien aus ihrem Garten übrig war, schoß Niles wie ein geölter Blitz unter die Couch.
    Die Schwertlilien, die Hammer Seth um zehn Uhr morgens in die Klinik brachte, waren magentarot und trugen ihren Namen zu Recht. Hammer stellte sie auf den Tisch und zog einen Stuhl an sein Bett. Das Kopfteil war hochgestellt, so daß ihr Mann auf der Seite liegend essen, lesen, fernsehen oder Besuche empfangen konnte. Sein Blick war trübe. Er hatte sich aus ungeklärter Ursache eine Streptokokkeninfektion zugezogen. Unablässig tropften Antibiotika und andere Flüssigkeiten kampfbereit durch Schläuche und Kanülen, die unter Pflastern in beiden Armen steckten. Hammer bekam es mit der Angst zu tun. Seth war nun schon drei Tage im Krankenhaus. »Wie geht es dir, Liebling?« fragte sie und rieb ihm die Schulter.
    »Beschissen«, sagte er, und sein Blick wanderte zurück zu Leeza im Fernseher.
    Er hatte die Nachrichten gesehen und auch die Zeitung gelesen. Seth wußte, was er sich Schreckliches zugefügt hatte. Noch deutlicher aber war ihm bewußt, was er ihr und seiner Familie angetan hatte. Das hatte er wirklich nicht gewollt. Normalerweise würde er lieber sterben, als irgend jemandem weh zu tun. Er liebte seine Frau und konnte ohne sie gar nicht leben. Und wenn er jetzt ihre Karriere in dieser Stadt ruiniert hatte? Was dann? Sie könnte überall hingehen, und es würde für sie dann ein leichtes sein, ihn zu verlassen, wie sie es schon ein paarmal angedroht hatte. »Und wie läuft's bei dir?« murmelte er, während Leeza mit einem geschlechtsumgewandelten Klempner mit Hasenscharte diskutierte. »Mach dir um mich keine Sorgen«, sagte Hammer mit fester Stimme und klopfte

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