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Die Hornisse

Die Hornisse

Titel: Die Hornisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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etwas riskieren mußte. Zu dieser frühen Stunde war im Jazzbone nicht viel los. Nur wenige Typen saßen herum, tranken Colt 45, rauchten und erzählten sich ihre Lieblingsgeschichten über Saufgelage, Frauen und die großen Gewinne, die sie gemacht hatten. Auf den verwaisten Pool-Tischen mit ihrem abgewetzten Filz lagen die Kugeln zusammengeschoben in ihren Dreiecken. Sie warteten auf den Abend, wenn das Lokal sich füllte. Dann würde es bis zum frühen Morgen ein schnapsgeschwängerter Ort sein, voller Menschen und voller Gefahren. Wenn überhaupt jemand wußte, was hier in der näheren Umgebung ablief, dann war es Jazzbone persönlich.
    »Ich suche Jazzbone«, wandte sich Brazil an ein paar Gäste mit Gläsern in den Händen. Einer zeigte zur Bar. Jazzbone war nicht zu übersehen. Er riß gerade einen Karton Schlitz auf. Den goldhaarigen Jungen in seinem College-Outfit hatte er längst bemerkt. »Ja?« rief Jazzbone. »Was kann ich für sie tun?« Brazil ging über den whiskygetränkten und mit Brandlöchern übersäten Teppichboden auf ihn zu. Eine Kakerlake kreuzte seinen Weg. Die Tische rundum waren voller Zigarettenasche und Salzkörnern. Je näher er Jazzbone kam, desto mehr Einzelheiten nahm er wahr. An sämtlichen Fingern trug er Goldringe, teils mit Diamantclustern, teils mit gefaßten Münzen. Die Goldkronen auf seinen Frontzähnen hatten herz- oder kleeblattförmige Einlagen. An der rechten Hüfte hing eine halbautomatische Pistole. Jazzbone füllte den Kühlschrank mit Bierflaschen auf, immer schön ordentlich in Reih und Glied.
    »Kalt haben wir im Moment nur noch Pabst Blue Ribbon«, sagte Jazzbone. In der letzten Nacht war es hochhergegangen, und seine Vorräte waren aufgebraucht. Aber Jazzbone hatte das Gefühl, daß dieser Junge etwas anderes von ihm wollte als ein Bier. Doch ein verdeckter Ermittler wie Mungo war er nicht. Polizisten und FBI-Beamte roch Jazzbone schon, wenn sie noch einen Block entfernt waren. Daß er sich da einmal getäuscht hätte, mußte schon ewig her sein. Etwas anhaben konnten ihm nur andere - Typen, die hereinkamen und genauso aussahen wie er, mit Kanone im Gürtel und all dem anderen Drum und Dran.
    »Ich bin vom Charlotte Observer«, sagte Brazil. Er wußte genau, wann es angebracht war, sich als Volunteer Cop vorzustellen, und wann nicht. »Ich brauchte Ihre Hilfe, Sir.«
    »Ach, ja?« Jazzbone hatte mit dem Einräumen der Bierflaschen aufgehört. Er wußte, er war stets gut für eine interessante Geschichte. »Welche Art von Hilfe? Ist das für die Zeitung?«
    »Ja, Sir.«
    Auch Jazzbone gab sich höflich, sah Brazil jedoch prüfend an. Mit hochgezogener Braue kaute er an einem Cocktailstäbchen aus Plastik. »Also, was wollen Sie wissen?« Jazzbone kam hinter der Bar hervor und zog sich einen Hocker heran.
    »Sie haben sicher von den Morden hier in der Gegend gehört«, sagte Brazil.
    Jazzbone war für einen Moment irritiert. »Häh?« sagte er. »Könnten Sie etwas genauer werden?«
    »Die Besucher von außerhalb. Die Schwarze Witwe.« Brazil hatte die Stimme fast zu einem Flüstern gesenkt.
    »Ach ja, die«, sagte Jazzbone. Ihm war gleich, ob jemand zuhörte. »War immer derselbe Täter.«
    »Könnte sich für Ihr Geschäft verdammt übel auswirken.« Brazil schlug jetzt eine härtere Gangart an. Er gab sich, als trüge er ebenfalls eine Waffe. »Da schleicht einer draußen rum und ruiniert einer Menge Leute das Geschäft.«
    »Wenn das so ist, Bruder. Erzählen Sie mir mehr. Mein Laden ist sauber. Ich will keinen Ärger haben, und ich mache auch niemandem Ärger.« Er steckte sich eine Salem an. »Das sind die anderen. Deshalb habe ich ja auch die hier.« Er tätschelte seine Pistole. Neidisch ließ Brazil den Blick auf ihr ruhen. »Verdammt, Mann«, sagte er. »Was ist denn das für ein tolles Ding?« Jazzbone war tatsächlich stolz auf das gute Stück. Er hatte es einem Drogendealer abgenommen, der bei ihm PoolBillard gespielt hatte, einem Typen aus New York, der nicht wissen konnte, daß Jazzbone seine Poolhalle aus einem ganz bestimmten Grund besaß. Für Jazzbone galt der Grundsatz, wenn ich in etwas gut bin - ob bei Frauen, mit einem Auto oder beim Pool-Billard -, dann soll es mir auch gehören. Und er war ein verdammt guter Poolspieler. Der Dealer war nicht so gut gewesen. Er zog die Pistole aus dem Halfter, damit Brazil sie sich ansehen konnte, allerdings aus respektvoller Entfernung. »Colt Double Eagle, Kaliber .45, 125mm Rohrlänge«, verkündete

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